In einem kurzen Beitrag auf LinkedIn hat Matt Garman, Senior Vice President of Sales and Marketing bei AWS, Microsofts Lizenzstrategie als wettbewerbsfeindlich bezeichnet und sich besorgt zu den Auswirkungen auf den Markt geäußert. Als Beleg hat Garman auf einen kürzlich erschienen Gastbeitrag von Steve Weber bei "The Hill" verwiesen. Darin spricht sich der Buchautor und Professor an der University of California dafür aus, dass die USA Maßnahmen ergreifen solle, um den Wettbewerb in der Cloud zu unterstützen und ein Oligopol zu vermeiden. Weber verweist in seinem Beitrag auf die Anfang April von der EU eingeleitete Kartelluntersuchung gegen Microsoft. Die habe bereits erste Wirkung gezeigt und könne Vorbild für ähnliche Maßnahmen in den USA sein.
Damit fordert Garman auf Umwegen ein Kartellverfahren gegen Microsoft, wirft dem Unternehmen direkt Wettbewerbsverzerrung vor und beklagt zudem, dass diese Praktiken jahrelang ungestraft blieben. Microsoft handele nicht im Sinne der Kunden, indem es ihnen verwehre, Microsoft-Software bei einem Cloud-Anbieter ihrer Wahl laufen zu lassen. Die Zugeständnisse in Europa seien Augenwischerei, da Microsoft mit den im Mai angekündigten Änderungen dort nur Anbieter besserstelle, die keine echten Wettbewerber seien und von denen dem Konzern keine Gefahr drohe.
Justin Stenger, Senior Commercial Executive für ISVs und Gaming bei Microsoft, fragt Garman in der Diskussion bei LinkedIn im Gegenzug knapp, bei welcher von Amazon entwickelten Technologie es Amazon seinen Kunden ermögliche, diese in der Microsoft Cloud laufen zu lassen. Eine Antwort darauf blieb Garman bislang schuldig.
Offenbar hat die Retourkutsche gesessen. Denn der Suchbegriff "Amazon" im Azure Marketplace fördert dzwar einige Treffer zutage, es handelt sich dabei jedoch entweder um Möglichkeiten der Nutzung für Azure Active Directory für Amazon-Kunden oder Angebote, die von Dritten eingestellt wurden. Dazu gehört etwa das vom Dienstleister Ntegral angebotene "Amazon Linux 2".
Auch auf der Partnerkonferenz "Inspire" gab es einige mehr oder weniger direkte Antworten auf die Vorwürfe von Garman. Judson Althoff, Executive Vice President und Chief Commercial Officer bei Microsoft, wies etwa darauf hin, dass es unter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für viele Partner nicht machbar sein, eine Vielzahl von Produkten zu einem Gesamtpaket für ihre Kunden zusammenzustellen. Es sei wesentlich einfacher und praktikabler, auf durchgängige Gesamtpakete zu setzen, wie Microsoft sie offeriere.
Microsoft wehrt sich gegen die Vorwürfe
Auch CEO Satya Nadella stichelte gegen AWS - ohne dabei das Unternehmen namentlich zu nennen. Er argumentierte mit Kostenvorteilen. Zum Beispiel sei es um bis zu 80 Prozent günstiger, Windows Server VMs und SQL Server VMs auf Azure laufen zu lassen, als "beim wichtigsten Mitbewerber". Bei der Nutzung des Gesamtpakets von Microsoft 365 könnten Kunden zudem gegenüber einer Patchwork-Lösung aus Mitbewerbsprodukten bis zu 60 Prozent sparen, bei der Power Platform seien es im Bereich von Business Process Automation wiederum 80 Prozent oder mehr im Vergleich zu Mitbewerbern. Und durch die ebenfalls auf der Inspire angekündigte Zusammenarbeit mit dem im Cloud-Geschäft etwas abgehängten Rivalen Oracle, dessen Datenbanken künftig auch in Microsofts Azure Cloud laufen, widerlegte Microsoft die Kritik von Amazon-Manager Garman ebenfalls.
Allerdings haben US-Partner Medienberichten zufolge schon öfter die Erfahrung gemacht, dass die Preisverhandlungen zu Lizenzen für Microsoft-Produkte, die in der AWS-Cloud laufen sollen, schwierig sind. Redmond verlange da deutlich höhere Preise, als beim Betrieb in Microsoft Azure. Eine Kartelluntersuchung könnte hier also durchaus eine unzulässige Bündelung von Angeboten zum Nachteil von Wettbewerbern feststellen. Dass sich darüber allerdings gerade Amazon echauffiert, dass selbst immer wieder im Visier der Wettbewerbshüter steht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
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