TK-Anbieter flüchtet erneut in Gläubigerschutz

Avaya ist schon wieder pleite

16.02.2023 von Peter Marwan
Der in den USA erwirkte Gläubigerschutz reduziert die Schulden um 2,6 Milliarden Dollar. Eine Finanzspritze von 780 Millionen Dollar soll den Weiterbetrieb ermöglichen. Für Partner und Kunden soll alles weitergehen wie bisher.
Harte Zeiten bei Avaya: Gläubigerschutz, Delisting von der New Yorker Börse, Aktionäre ohne Aussicht auf Kompensation - aber das Versprechen, dass für Kunden und Partner "alles weitergeht wie bisher".
Foto: Ken Wolter - shutterstock.com

Avaya hat erneut Gläubigerschutz beantragt und eine finanzielle Restrukturierung in Angriff genommen. Die soll in zwei bis drei Monaten abgeschlossen sein und die drückenden Schulden von 3,4 Milliarden Dollar auf rund 800 Millionen Dollar reduzieren. "Diese Maßnahmen haben keine Auswirkungen auf die Kunden, Vertriebskanäle und strategischen Partner, Lieferanten, Anbieter oder Mitarbeiter des Unternehmens", teilt das Unternehmen mit.

Einige von ihnen dürften sich aber schon fragen, ob sie weiterhin einem Unternehmen vertrauen sollen, dass es wiederholt nicht schafft, in die Gewinnzone zu gelangen. Bereits 2017 musste Avaya Gläubigerschutz beantragen. Damals reduzierte es die Schulden von sechs auf rund drei Milliarden Dollar. Die hohen Schulden stammen auch aus der Übernahme der ehemaligen UC- und Callcenter-Sparte von Lucent Technologies durch die Investment-Firmen Silver Lake Partners und Texas Pacific Group. Außerdem drückten der ehemaligen Geschäftseinheit von AT&T noch die Kosten für Pensionszahlungen der in Rente gegangenen Mitarbeiter auf den Geldbeutel.

Neues Kapital in Höhe von 780 Millionen Dollar soll jetzt das Unternehmen wieder flott machen und sicherstellen, dass es seine Lieferanten und Mitarbeiter vollständig bezahlen kann. Alan Masarek, Chief Executive Officer von Avaya, spricht von einer "Stärkung der Kapitalstruktur", bezeichnet Avaya als "gut kapitalisiertes Unternehmen mit einer der stärksten Bilanzen der Branche" und lobt die "ikonische Marke Avaya".

Die in solchen Fällen sonst übliche Flucht in die "Konzentration auf das Kerngeschäft" bleibt aus. Viel abzugeben hat Avaya auch nicht mehr. Die Netzwerksparte wurde schon bei der letzten Restrukturierung an Extreme Networks verkauft. Immerhin hat das Unternehmen eine große, installierte Basis: Eigenen Angaben zufolge kann es auf über 90.000 Kunden verweisen, stellt über 100 Millionen UC-Leitungen bereit und arbeitet mit weltweit über 8.000 Channel-Partnern zusammen. Im Bereich Contact Center sieht es sich als Nummer 1 weltweit.

Hoffnungen ruhen jetzt auf einer erweiterten und vertieften Kooperation mit RingCentral. Der US-amerikanische Anbieter drängt seit einiger Zeit auch verstärkt auf den deutschen Markt und arbeitet eng mit Microsoft Teams und auch intenisv mit Unify zusammen - das allerdings gerade von seinem Besitzer Atos an Mitel verkauft wird.

Cloud und Partnerschaften als Strohhalme

2022 ging Avaya eine Partnerschaft mit Microsoft ein. Das sei ein "wichtiger Meilenstein der fortschreitenden Umstellung auf ein Cloud-Geschäftsmodell", erklärt damals David Austin, Senior Vice President, Strategy and Alliances bei Avaya. Unter anderem gelangte dadurch die Kollaborationsplattfrom Avaya OneCloud in den Azure-Marketplace. Ein Grund für die Flucht in den Gläubigerschutz sind jetzt allerdings auch unbezahlte Rechnungen von Microsoft in Höhe von über 9 Millionen Dollar.

Außerdem ging Avaya eine Partnerschaft mit Alcatel-Lucent Enterprise ein. Ziel ist es, die Avaya-Plattform für Contact Center as a Service und die Netzwerklösungen von ALE zu kombinieren. Jim Chirico, damals President und CEO von Avaya, spekulierte auch darauf, die über 3.000 Partner und eine Million Kunden von ALE mit den Produkten seines Unternehmens vertraut machen zu können. "Wir sind der Meinung, dass die Partnerschaft sowohl für Avaya- als auch für ALE-Kunden eine große Chance darstellt, ihren Wechsel in die Cloud zu beschleunigen, indem sie erstklassige Cloud-Technologien von zwei weltweit führenden Kommunikationsunternehmen einsetzen", erklärt Chirico im März 2022.

Börse setzt Handel aus, Aktionäre gucken in die Röhre

Vier Monate später musste er nach Einnahmen, die 20 Prozent unter Plan lagen, das Unternehmen jedoch bereits verlassen. Sein Nachfolger wurde Alan Masarek, der zuvor sechs Jahre CEO beim Mitbewerber Vonage war. Masarek kündigte zu Beginn seiner Amtszeit an, die Transformation in die Cloud zu forcieren und komplett durchzuziehen und die Belegschaft zu verjüngen.

Richtig Wiederhall fand aber der Plan bei den Anlegern nicht: Ende Dezember teilte die New Yorker Börse mit, dass sie das Delisting der Avaya-Aktie erwägt, weil der durchschnittliche Schlusskurs der Stammaktien während 30 aufeinanderfolgender Handelstage unter einem Dollar lag.

Die Karenzzeit von sechs Wochen nützte auch nichts. Aufgrund des erneuten Insolvenzverfahrens wurde am 15. Februar das Verfahren zum Delisting der Avaya-Stammaktien an der New Yorker Börse eingeleitet und der Handel damit unverzüglich ausgesetzt. In einer FAQ-Liste für Investoren teilt Avaya mit, dass Aktieneigentümer nach dem Abschluss des Gläubigerschutzes wohl keine Entschädigung erhalten werden.

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