Der Channel sorgt für IT-Nachwuchs

Ausbildungsstars in der Region

18.06.2021 von Armin Weiler
Nachwuchsförderung ist das beste Rezept gegen Fachkräftemangel, auch im ländlichen Raum. Distribution und Handel leisten mit ihren Ausbildungsangeboten einen wertvollen Beitrag, dass Karrieren in der IT-Branche nicht auf die großen Städte beschränkt sind.

Hüllhorst, Meuselwitz, Bohmte, Hartmannsdorf, Bergheim, Eppelborn, Nordhorn, Rohrbach oder Ebensfeld, diese Orte gehören vielleicht nicht zu den großen Metropolen der Republik. Sie sind aber wichtige Punkte auf der Landkarte der Ausbildungsorte des ITK-Channels.

Ausbildung in der ITK-Branche ist nicht nur auf die großen Metropolen der Republik beschränkt. Viele Unternehmen in den Regionen legen großen Wert auf Nachwuchsförderung.
Foto: Sergii Sobolevskyi - shutterstock.com

Während es viele IT-Unternehmen ohne besonderen regionalen Wurzeln, eher in den Einzugsbereich großer Zentren zieht, ist der Channel durchaus auch ländlich geprägt. Für Ausbildung und Nachwuchsförderung in der IT-Branche bringt das große Vorteile, denn so erhalten Berufseinsteiger im ganzen Bundesgebiet die Chance, eine zukunftssichere Karriere in einem digitalen Berufsumfeld zu ergreifen.

So sehen Distributoren und Systemhäuser den ländlichen Raum meist nicht als Standortnachteil. "Obwohl wir im ländlichen Raum angesiedelt sind, haben wir aufgrund unserer günstigen Lage im Einzugsgebiet verschiedener Landkreise", erzählt Markus Schmidt, Marketingleiter beim fränkischen Distributor Systeam. Auch ganz im Westen bei Herweck kann man kaum Nachteile erkennen. "Durch die gute Verkehrsanbindung und die saarländische Infrastruktur sind wir für unsere Bewerberinnen und Bewerber schnell und einfach zu erreichen", sagt Personalreferentin Sara Freichel Henry.

Heimat als Standortvorteil

Bei Wortmann in Hüllhorst ist die ostwestfälische Heimatverbundenheit ein wichtiger Faktor. "Ein Betrieb kann sich nichts sehnlicher wünschen als junge Menschen, die in einem zukunftssicheren Unternehmen vor ihrer Haustür gerne arbeiten", betont Meik Blase, Leiter Qualitätsmanagement und Sicherheitsingenieur. Dem stimmt Lars Evers, Leiter Personalwesen und Prokurist beim dem kurz vor der niederländischen Grenze angesiedelten TK-Distributor Eno zu: "Die Jugendlichen suchen tendenziell den Arbeitsplatz gern in der Nähe. Deshalb ist es uns wichtig, als starker Arbeitgeber in der Region bekannt zu sein und wir punkten auch mit der Flexibilität des Arbeitsorts", erklärt er. Evers räumt aber auch ein, dass die Suche nach Auszubildenden und Fachkräften sich aktuell oft als schwierig gestaltet. "Der Markt der potenziellen Kandidaten ist natürlich überschaubarer als in Ballungsräumen", bestätigt der Eno-Personalreferent.

„Während der Ausbildung sollte ein breites fachliches und soziales Grundwissen vermittelt werden“, Meik Blase, Leiter Qualitätsmanagement und Sicherheitsingenieur bei Wortmann.
Foto: Wortmann

Auch für Systemhauschef Michael Krämer von Krämer IT im saarländischen Eppelborn ist die Bekanntheit in der Region wesentlich: "Als eines der größten IT-Systemhäuser im südwestdeutschen Raum genießen wir einen hohen Bekanntheitsgrad und starke Anziehungskraft, was unser großer Vorteil ist", beschreibt er die Situation. Er will sich nicht festlegen, dass das tatsächlich auf den Standort zurückzuführen ist. "Wir sind jedenfalls der Meinung, dass die Menschlichkeit in ländlichen Räumen eine wichtige Rolle spielt und dadurch das Arbeiten mehr Spaß macht", gibt sich der Saarländer selbstbewusst.

„Die Menschlichkeit spielt in ländlichen Räumen eine wichtige Rolle. Dadurch das Arbeiten mehr Spaß“, Michael Krämer, Geschäftsführer bei Krämer IT.
Foto: Krämer IT

Im Dreiländereck Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt in Meuselwitz liegt der Stammsitz des IT-Herstellers und Distributors Bluechip. Hier muss man sich durchaus dem Wettbewerb mit Städten wie Leipzig oder Erfurt stellen. "Allerdings sind wir in der Region das einzige mittelständische Unternehmen der IT-Branche, was für heimatverbundene Auszubildende wiederum sehr attraktiv ist", freut sich Anja Petzold, die als Assistentin des Vorstandes bei Bluechip für Ausbildungsfragen zuständig ist. Sie blickt aber mit Sorge auf eine geplante Zusammenlegung der Berufsschulen mit Konzentration auf die Ballungsgebiete: "Das würde unsere Situation deutlich verschlechtern", befürchtet sie.

„Wir haben uns entschieden, dem Fachkräftemangel aus den eigenen Reihen zu begegnen“, Anja Petzold, Assistentin des Vorstandes bei Bluechip.
Foto: Bluechip

Ausbildung macht zukunftssicher

Verantwortungsvolle IT-Unternehmen haben erkannt, dass das beste Mittel gegen das Defizit geeigneter Mitarbeiter die Ausbildung im eigenen Haus ist. "Wir haben uns entschieden, dem Fachkräftemangel aus den eigenen Reihen zu begegnen", erläutert Anja Petzold. Das mache Berufsausbildung und ständige Weiterbildung besonders wichtig. Zudem gleicht Bluechip die Spezialisierung der Azubis anhand persönlicher Stärken und Interessen mit dem konkreten Personalbedarf zu einem möglichst frühen Zeitpunkt ab. So bietet man Berufsanfängern eine konkrete perspektive und kann zudem zielgerichtet Lücken schließen. "Wir bilden selber aus und packen so das Problem an der Wurzel an", bestätigt Herweck-Personalreferentin Sara Freichel Henry.

Durch die Herausforderung, Fachkräfte und Nachwuchstalente an einem ländlich geprägten Standort zu rekrutieren, hat bei Eno die Personalentwicklung einen hohen Stellenwert. Dazu gehört auch, eigentlich fachfremden Kandidaten realistische Chancen einzuräumen. Dies wird durch eine gezielte Ausbildung in den relevanten Fachbereichen unterstützt und begleitet. "Wir qualifizieren unsere künftigen Fachkräfte und Experten und bilden sie zukunftsorientiert aus. Hier investieren wir seit jeher in starkem Maße, so dass Nachwuchskräfte aus den eigenen Reihen nachrücken können", bemerkt Personalchef Evers.

„Jugendliche suchen tendenziell den Arbeitsplatz in der Nähe. Deshalb ist es wichtig, in der Region bekannt zu sein“, Lars Evers, Leiter Personalwesen und Prokurist bei Eno.
Foto: Eno

Wortmann-Manager Blase hält eine zu frühe Spezialisierung und die "Zersplitterung der Ausbildungsberufe" als kontraproduktiv. "Während der Ausbildung sollte ein breites fachliches und soziales Grundwissen vermittelt werden", fordert er. Eine fachliche Spezialisierung könne dann im Anschluss der Ausbildung erfolgen. "Dies geschieht ohnehin meistens erst im weiteren Berufsleben. Wenn dann wirklich fundierte Grundlagen vorhanden sind, kommen junge Menschen leichter voran", meint Blase.

Dabei ist es für die Ausbildungsbetriebe wichtig, dass ihnen der Nachwuchs nach der Lehrzeit auch erhalten bleibt und nicht in andere Betriebe oder Branchen abwandert. "Da wir nach der Ausbildung eine hohe Übernahmequote haben, bilden wir einen Teil unserer Fachkräfte von morgen selbst aus. Die meisten Auszubildenden nehmen dies Chance auch gerne wahr und bleiben in unserem Unternehmen", berichtet Systeam-Manager Schmidt.

„Da wir von Auszubildenden in einem Alter von 15 bis 19 Jahren reden, sind gewisse Defizite eigentlich normal – deshalb sind sie ja Auszubildende“, Markus Schmidt, Marketingleiter bei Systeam.
Foto: Systeam

Wer ausbilden will, muss aber auch die passenden Ausbilder haben. "Im Bereich Programmierung gibt es ein großes Angebot an Ausbildungssuchenden, die sich eine Zukunft dort gut vorstellen können. Auch im Bereich E-Commerce ist dies der Fall", erklärt Manuela Frommont, Head of Human Resources bei Siewert & Kau. Es mangele allerdings an erfahrenen Fachkräften in diesem Bereich, so ist es schwierig in größerem Umfang dort auszubilden, da die Betreuung für die Auszubildenden nicht ausreichend vorhanden sei.

Defizite bei Schulabgängern

Die Betriebe sind jedoch mit den Grundvoraussetzungen der Schulabgänger nicht immer zufrieden. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass teilweise mathematische Kenntnisse fehlen", beklagt Oliver Hemann, Vorstand beim Bohmter TK-Distributor Michael Telecom. Auch die Vorbereitung auf Dinge wie Tabellenkalkulation könnten seiner Ansicht nach besser sein. Er wünscht sich von der Schule mehr Vermittlung von Praxiswissen. "Ein Schulfach zum Thema Finanzen, Versicherungen und so weiter, ist meiner Meinung nach ein Must-have", fordert er.

„Ein Schulfach zum Thema Finanzen und Versicherungen ist meiner Meinung nach ein Must-have“, Oliver Hemann, Vorstand bei Michael Telecom.
Foto: Michael Telecom

"Schulabgängern fehlt oft der Umgang mit digitaler Technik", beklagt Andrea Fiedler, Head of Corporate Communications beim sächsischen TK-Grossisten Komsa. Das klinge zwar paradox, doch jungen Leute seien zwar "sehr fit am Handy", tun sich aber schwer, eine E-Mail zu schreiben oder eine Präsentation zu erstellen, meint sie. So erhofft man sich bei Komsa mehr Praxis bereits im Schulalltag. Fiedler ist optimistisch, dass sich die Lage durch den Digitalpakt und den Trend zu digitalem Lernen bessert. "Hier sind wir als Distributor und Dienstleister auch selbst aktiv und unterstützen unsere Reseller, Schulen auszustatten", merkt sie an.

Michael Krämer wünscht sich neben besseren Informatikangeboten auch die Vermittlung von grundsätzlichen Werten in der Schule: "Ordentlichkeit, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit sind Grundlagen, die im Elternhaus und in der Schule wieder eine größere Bedeutung haben müssen", bekräftig er.

„Es kling paradox, doch Schulabgängern fehlt oft der Umgang mit digitaler Technik“, Andrea Fiedler, Head of Corporate Communications bei Komsa.
Foto: Komsa

Für Siewert & Kau-Personalchefin Frommont gibt es aber auch andere Faktoren, die derzeit eine gute Vorbereitung auf den Berufseinstieg erschweren: "Der Pandemie geschuldet sind viele Praktika entfallen. Den Bewerbern fehlt es an praktischem Einblick in die Berufswelt", gibt sie zu bedenken. So sei auch der Bereich Teamarbeit bei einigen nicht so entwickelt, wie es wünschenswert wäre. "Durch Homeschooling wurden auch gemeinsame Projekte seltener und ausschließlich online durchgeführt", so Frommont.

„Der Pandemie geschuldet sind viele Praktika entfallen, so fehlt es an praktischem Einblick in die Berufswelt“, Manuela Frommont, Head of Human Resources bei Siewert & Kau.
Foto: Siewert & Kau

Markus Schmidt von will mit den Vorkenntnissen der Schulabgänger nicht zu sehr ins Gericht gehen. Er hält diese in der Regel für ausreichend. "Da wir von Auszubildenden in einem Alter von 15 bis 19 Jahren reden, sind gewisse Defizite eigentlich normal - deshalb sind sie ja Auszubildende", gibt er sich versöhnlich. Sie stünden am Anfang ihres Berufslebens und hätten natürlich noch einiges zu lernen. "Dafür sind dann wir als Ausbildungsbetrieb, die Berufsschulen oder auch überbetrieblicher Unterricht da, um ihnen diese Kenntnisse zu vermitteln", folgert Schmidt.

Männliche Bewerber dominieren

Nach wie vor verzeichnen die meisten ausbildendenden Channel-Unternehmen mehr Bewerber als Bewerberinnen. Bei den technisch orientierten Ausbildungsberufen ist dabei das Ungleichgewicht noch höher als in den kaufmännischen. "Dieses Jahr sind von den 32 Neuzugängen 11 weiblich, also gut ein Drittel", berichtet Maik Blase von Wortmann. In der gesamten Wortmann-Belegschaft ist allerdings der Frauenanteil mit 40 Prozent größer als beim aktuellen Ausbildungsjahrgang. "Unsere Auszubildenden im technischen und logistischen Umfeld sind hauptsächlich männlich", weiß auch Bluechip-Personalspezialistin Anja Petzold.

Siewert & Kau-Managerin Frommont hat ebenfalls eine Männerdominanz für Berufe im IT-Bereich wie dem des Informatikkaufmanns festgestellt: "Hier sind 100 Prozent unserer Azubis aktuell männlich", bestätigt sie. In den anderen Berufen herrsche aber "eine gesunde Mischung" aus Frauen und Männern. Laut Frommont gibt es durchaus einen Trend zu weiblichen Bewerben, die dort Interesse zeigen. Beim Ebensfelder Grossisten Systeam sind von den derzeit elf Azubis vier weiblich. Marketing-Chef Schmidt ist aber zuversichtlich, dass sich der Anteil der weiblichen Nachwuchskräfte in Zukunft vergrößern wird.

"Das Geschlecht spielt bei der Bewerberauswahl keine Rolle", Sara Freichel Henry, Personalreferentin bei Herweck.
Foto: Herweck

Der Überhang an männlichen Nachwuchskräften liegt dabei sicher nicht an den Präferenzen der ausbildenden Unternehmen "Wir würden wir uns mehr Bewerberinnen wünschen", unterstreicht Petzold. Bei Herweck gibt man sich da ganz neutral: "Wir haben keine Frauenquote. Das Geschlecht spielt bei der Bewerberauswahl keine Rolle", stellt Sara Freichel Henry von Herweck klar. Die Saarländer kommen sowohl bei den Ausbildungsplätzen als auch in der Gesamtbelegschaft auf einen Frauenanteil von gut 40 Prozent. Bei Eno in Nordhorn und Michael Telecom in Bohmte ist das Verhältnis sogar ausgewogen. "Über die Jahre gesehen bilden weibliche Auszubildende bei uns sogar die Mehrheit", bemerkt Michael-Telecom-Vorstand Oliver Hemann.

Für Daniel Breitinger, Referent für Bildungspolitik beim Branchenverband Bitkom, müsste die Branche trotzdem attraktiver für Frauen werden. Seiner Ansicht nach sollten Mädchen zudem in jungen Jahren Mädchen für digitale Technologien begeistert werden. "Die digitale Welt muss auch von Frauen gestaltet werden", fordert er im Interview mit ChannelPartner.

So ist es keine leichte, aber eine lohnenswerte Aufgabe, jungen Menschen den Weg in die IT-Branche zu ermöglichen. Der Channel arbeitet dabei aktiv mit, die Verwurzlung der IT-Branche in den Regionen zu stärken und so die Zukunft des digitalen Sektors mitzugestalten.

Lesen Sie auch:

Ausbildung im Systemhaus: Schulabgänger, traut Euch!

Great Place to Work: Die arbeitnehmerfreundlichsten Systemhäuser 2021

Auszeichnung für den Broadliner: Ingram Micro ist ein "Great Place to Work"