Jahrelang kannte das Druckvolumen im Heimsegment nur eine Richtung: Es nahm stetig ab. Die Ursache dafür liegt vor allem im Gebrauch mobiler Geräte, insbesondere von Smartphones und Tablets. Dieser Trend könnte sich durch die Corona-Pandemie zumindest temporär umkehren.
Wer nun von zuhause aus arbeitet, kommt häufig nicht ohne Papierunterlagen aus. Bei Millionen von Schülern, die nun mit Lehrmaterial versorgt werden müssen, fällt dies besonders ins Gewicht. Allerdings werden nun in den Büros weniger Seiten ausgedruckt. "Derzeit beobachten wir eine signifikante Nachfrageerhöhung nach Home-Office-Druckern. Ebenso ist das Druckvolumen und die Menge an Verbrauchsmaterialien im Home Office nachweisbar gestiegen", bestätigt Patrick Bischoff, Director Marketing Document Solutions bei Canon. Er erwartet aber, dass das Druckvolumen im Home Office geringer ist und dadurch die wegfallenden Ausdrucke im Büro nicht komplett kompensieren wird.
Die Verschiebung des Druckvolumens hat auch vertriebliche Auswirkungen: "Die aktuelle Situation trifft vor allem Partner, die vor allem MPS-Verträge anbieten", berichtet Helge Alter, Country Category Manager Print Deutschland und Österreich bei HP. So haben sich manche HP-Partner sehr clevere Lösungen ausgedacht, um in der aktuellen Situation Geschäftskunden bei ihrem veränderten Druckbedarf individuelle Lösungen anbieten zu können. "Einige Premier Partner statten Mitarbeiter im Home Office mit professionellen Druckern aus MPS Verträgen zuhause aus. Die Hardware erlebt so einen zweiten Einsatzzweck und die Unternehmen müssen nicht in neue Geräte investieren", erzählt Alter.
Manged Print Service im Home Office
Doch nicht nur Händler versuchen Büro- und Home-Office-Druck in einem Konzept zu vereinen. So bietet Canon für ausgewählte Lasersysteme mit eMaintenance, ein Ferndiagnosesystem welches den Zustand des Drucksystems überwacht und aktuelle Zählerstände automatisch übermitteln kann, und mit UniFlow, einer Softwarelösung mit der Druck- und Scanworkflows gesteuert werden können. zwei Service-Tools an. Multifunktionsdrucker von Xerox können unabhängig vom Standort in die Druckerflotte des Kunden integriert und für einen Servicevertrag registriert werden. "Das kann so eingerichtet werden, dass Verbrauchsmaterialien an vordefinierte Adressen geliefert werden", schildert Thiemo Rau, Vice President Channel und SMB bei Xerox die Vorgehensweise.
Auch bei Brother versucht man mit den Partnern automatisierte Möglichkeiten zu finden, doch laut Head of Marketing, Steffen Schilling, lohnt sich der Aufwand in den meisten Fällen nicht. "Mitarbeitern, die auch zuhause viel drucken müssen, sollte der Arbeitgeber dienstliche Drucker zur Verfügung stellen. Ein kleines Arbeitsplatzgerät ist im Zweifel günstiger als der administrative Aufwand der individuellen Abrechnung", rechnet Schilling vor. Fachhändler sollten mit den Kunden eruieren, ob die Geräte in ein MPS-System integriert werden kann, um die automatisierte Versorgung mit Verbrauchsmaterial zu gewährleisten. "Im Brother MPS wäre es jedenfalls möglich Homeoffices wie Niederlassungen zu behandeln und abzurechnen", erläutert er.
Oft unterscheiden sich Drucker im Heimeinsatz dabei grundlegend von Geräten in Büroumgebungen. Kaum einer wird sich einen 100 Kilogramm schweren A3-Farbkopierer für mehrere tausend Euro in die Wohnung stellen. Die Erwartungen an die kompakten Heimgeräte sind aber ähnlich: "Grundsätzlich werden in Heimbüros vergleichbare Anforderungen an Drucksysteme gestellt wie in traditionellen Büroumgebungen wie Zuverlässigkeit, Sparsamkeit und Umweltfreundlichkeit. Ein wesentlicher Unterschied ist natürlich, dass zuhause in der Regel keine Arbeitsgruppen auf die Geräte zugreifen und das Druckvolumen eher geringer ist", weiß Annette Harenberg, Head of Sales Consumer Products bei Epson. Wichtig ist dabei auch, dass die Geräte wartungsarm sind, denn ein Serviceeinsatz gestaltet sich schwieriger als im Büro. Werden die Drucker zur Geschäftskommunikation eingesetzt, müssen sie den Qualitätsansprüchen des Unternehmens gerecht werden: "Hier wie dort produzierte Dokumente müssen die gleichen Anforderungen erfüllen und am besten ist es, man bemerkt als Empfänger erst gar keine Veränderung", meint Harenberg.
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Zudem sollen die Drucker einfach einzurichten und zu administrieren sein. "Da zu Hause die unternehmenseigene IT-Abteilung nicht unterstützend zur Verfügung steht, sind intuitive Installation, Bedienung und Plug & Play mit Laptop, Smartphone oder Tablet sicher die wichtigsten Kriterien", glaubt Canon-Manager Bischoff. Multifunktionale Produkte die drucken, scannen, opieren und womöglich auch noch faxen können, decken die Bedürfnisse der Heimanwender am besten ab. "Duplex-Druck und -Scan wird oft vernachlässigt, kostet aber nur geringfügig mehr und bringt Ersparnis beim Papierverbrauch und ist praktisch im Ergebnis. Auf eine gute Garantieleistung sollte geachtet werden - drei Jahre Herstellergarantie dürfen es schon sein.", ergänzt Bischoff. "Da ein IT-Manager nicht vor Ort sein kann, müssen Mitarbeiter in der Lage sein, Geräte einfach einzurichten und mit minimaler Wartung zu betreiben", fordert auch Xerox-Channel-Chef Thiemo Rau. Dabei seien Sicherheitsaspekte "unerlässlich", da das Home Office zu einer Erweiterung des Unternehmens wird.
Helge Alter von HP sieht einen Trend zu leistungsfähigen Printern: "Während zunächst vor allem günstige Einsteigermodelle gekauft wurden, entscheiden sich die Kunden mittlerweile eher für Geräte, die auch für größere Druckvolumen geeignet sind", sagt er. Laut Alter sind derzeit multifunktionale Farbgeräte besonders gefragt. Von den Technologien liege der Fokus aktuell auf Laserdruckern oder leistungsstarken Tintenstrahlgeräten.
Tinte oder Toner?
Damit stellt sich die Frage nach der optimalen Drucktechnologie. Hier scheiden sich die Geister. Während Hersteller wie HP, Canon oder Brother, die sowohl Laser- als auch Tintengeräte im Angebot haben, hier je nach Anwendungszweck argumentieren, sehen das Hersteller, die nur eine Technik im Portfolio haben, etwas anders. "Die Nachteile des Laserdruckers hinsichtlich Stromverbrauchs, komplexer, wartungsanfälliger Mechanik sowie unerwünschter Hitzeentwicklung oder Feinstaub im Betrieb kommen in Heimbüros, in denen es naturgemäß etwas beengter zugeht als in dedizierten Büroumgebungen, noch deutlicher zum Tragen", plädiert Epson-Vertrieblerin Harenberg für Tintenstrahldrucker.
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Dem entgegnet Thiemo Rau von Xerox: "Laserdrucker bieten vernünftige Seitenpreise und ermöglichen rasches Drucken mit gestochen scharfen, klaren Texten und Grafiken. Sie eignen sich hervorragend für das schnelle und geräuscharme Drucken hoher Volumen und sind somit ideal für den Einsatz in Home Offices". Da Laserdrucker auf Toner und nicht auf Tinte basieren, seien sie in der Lage, Tausende von Seiten zu drucken, bevor die Kartuschen ausgewechselt werden müssen. Das mache sie überdies auch kostengünstiger im Verbrauch. Allerdings gibt es auch Tintenstrahldrucker, die in Reichweite und Seitenpreise mit Lasersystemen durchaus konkurrieren können. "Es werden oft kostengünstige Lasergeräte angeschafft, die aber durchaus wartungsintensiv sind. Heute haben eher professionelle Tintenstrahldrucker das Potenzial als vollwertiges 'Teammitglied' ihre Arbeit im heimischen Büro zu verrichten", ergänzt Michael Rabbe, Head of Business Sales bei Epson.
Natürlich spielen auch die Platzverhältnisse am heimischen Arbeitsplatz eine Rolle: "Tintengeräte können technologisch bedingt kompakter gebaut werden, was in besonders beengten Wohnungen relevant ist", gibt Brother-Marketingexperte Schilling zu bedenken. Wer jedoch bereits absehen könne, dass er zukünftig wieder nicht mehr, oder nur sehr selten im Homeoffice arbeiten wird, sollte ein Lasergerät in Erwägung ziehen, weil dieses auch über einen längeren Zeitraum vom Strom getrennt werden kann. "Tinte würde in solch einem Fall eintrocknen", erklärt er.
Lieferfähigkeit weitgehend sichergestellt
Für Helge Alter von HP steht weniger die Drucktechnologie sondern eher das Supplies-Konzept im Vordergrund: "Viele Nutzer entscheiden sich aktuell für Drucker mit großen Tintentanks, die selbst nachgefüllt werden können", sagt er. Mit "Neverstop" habe man auch das entsprechende Laser-Pendant im Angebot. Zudem verweist Alter auf Modelle, bei denen Verbrauchsmaterial automatisch geliefert wird, wenn es zuneige geht.
Das kann Vorteile haben, denn in Corona-Zeiten können Lieferketten gestört sein und kurzfristig Lieferengpässe auftreten. So deckten sich Distributoren und Händler zu Beginn der Krise mit besonders nachgefragten Tinten- und Tonerkartuschen ein. "Toner ist gewiss nicht das neue Klopapier, aber einen gewissen Hamstereffekt konnten wir zu Beginn der Krise beim Verbrauchsmaterial auch feststellen", bestätigt Brother-Manager Schilling. Aktuell könne man den Hardwarebedarf sehr gut decken. Jedoch ist es sehr schwer abzuschätzen, welche Entwicklungen es in den nächsten Wochen gibt. "Aktuell ist die Nachfrage nach Druckern für den Home-Office-Bedarf angewachsen", berichtet HP-Druckerexperte Alter. Die Liefersituation habe sich mittlerweile aber wieder stabilisiert.
Insgesamt, so versichern die Druckerhersteller unisono, sei die Verfügbarkeit von Druckern und Verbrauchsmaterial weitgehend sichergestellt. "Wir stellen unsere Produkte an vielen Standorten der Erde her und unterhalten in Europa ein großes lokal Lager", schildert Michael Rabbe von Epson die Lage. Auch bei Canon hat man die Supply Chain der aktuellen Situation "bestmöglich" angepasst. "Es kann an vielen Stellen trotz Verfügbarkeit zu Verzögerungen kommen, weil beispielsweise plötzliche Probleme bei Zulieferern, Grenzkontrollen oder Krankenstände unvorhersehbare Faktoren darstellen", gibt Canon-Marketingchef Bischoff zu bedenken.
Der Channel ist also noch lange nicht über den Berg und die Lieferketten bleiben fragil. Und nach der Krise wird die Arbeitswelt mobiler, flexibler und digitaler sein. Auch die Druckerindustrie wird sich darauf einstellen müssen.