Arbeitnehmer unter der digitalen Lupe - zulässig?

19.07.2007 von Peter Krebühl
Ein ausschweifendes privates Surfen im Internet kann genauso wie die zeitintensive Nutzung des Telefons und E-Mail-Verkehrs Grund für eine fristlose Kündigung sein, so Rechtsanwalt Peter Krebühl.

Im Zeitalter von Web 2.0 gehören Internet oder das persönliche E-Mail-Konto längst zum Arbeitsalltag. In der schnellen und oft globalen Kommunikation sind sie ein selbstverständliches Arbeitsmittel. Die im Arbeitsverhältnis zu berücksichtigenden Grenzen für den Arbeitnehmer auf der einen und für den Arbeitgeber auf der anderen Seite sind jedoch rechtlich nicht vollständig aufgearbeitet. Was viele Beschäftigte nicht wissen: Ein ausschweifendes "privates" Surfen im Internet kann genauso wie die zeitintensive Nutzung des Telefons und E-Mail-Verkehrs Grund für eine fristlose Kündigung sein - im Einzelfall sogar ohne vorherige Abmahnung.

Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 7. Juli 2005, aktuell bestätigt durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Mai 2007 kann eine Kündigung selbst bei dem Fehlen eines ausdrücklichen Verbots der Privatnutzung der neuen Medien durch den Arbeitgeber gerechtfertigt sein. Auch wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung nicht ausdrücklich verbietet, sondern sie auch über einen längeren Zeitraum hinweg geschehen lässt, muss dadurch keine rechtfertigende betriebliche Übung entstehen. Der Arbeitnehmer muss also im Zweifelsfall mit einer fristlosen Kündigung rechnen, die von den Arbeitsgerichten bestätigt würde.

Ausgangspunkt für die vorgenannte Rechtsprechung waren regelmäßig extreme Pflichtverletzungen, die sich sowohl auf das zeitliche Ausmaß als auch auf den Inhalt (oft pornografisch) der Internetnutzung bezogen. Die Grundsätze gelten jedoch auch für den "Durchschnitts-Arbeitnehmer", der während der Arbeitszeit seine Flugtickets bucht oder ein Schnäppchen bei Ebay sucht.

Fraglich ist allerdings, inwieweit es dem Arbeitgeber gestattet ist, die Nutzung der "neuen Medien" zu kontrollieren und zu überwachen. Mit einer Entscheidung vom 03.04.2007 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geurteilt, dass ein Arbeitgeber nicht berechtigt sei, den dienstlichen Telefonanschluss, die E-Mails und den dienstlichen Internetzugang zu überwachen. Eine solche Überwachung verstoße gegen den Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), nach der jede Person ein Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens hat. Im genannten Fall sprach der europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro zu, weil ihr Dienstherr, ein Schuldirektor in Großbritannien, den dienstlichen Internetzugang und das Diensttelefon überwacht hatte, um eine etwaige Privatnutzung erfassen zu können.

Diese Entscheidung gilt grundsätzlich nur für Behörden, also den Bereich des öffentlichen Dienstes. Ob sich auch das Bundesarbeitsgericht bei der Beurteilung ähnlich gelagerter Fälle in Arbeitsverhältnissen auf die Schutzwirkung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitsnehmers berufen wird, bleibt abzuwarten.

Nach bisher überwiegender Meinung ist es dem Arbeitgeber gestattet, die äußeren Verbindungsdaten und die Verbindungsdauer bei der Nutzung von E-Mail, Internet und Telefon zu kontrollieren und zu speichern, der jeweilige Kommunikationsinhalt und auch die E-Mail-Adresse der Empfänger sind als geschützt eingestuft worden. Ein Arbeitgeber wird also zulässigerweise nur den zeitlichen Umfang der Nutzung der "neuen Medien" durch den Arbeitnehmer festhalten können, eine Überwachung des Inhalts ist auf Extremfälle wie pornografische Inhalte oder gewaltverherrlichende oder volksverhetzende Seiten zu beschränken.

Kontakt und weitere Informationen: Peter Krebühl, Rechtsanwalt, Rechtsanwälte Pflüger GmbH, Kaiserstraße 44, 60329 Frankfurt am Main. Tel: 069/ 24 26 89 0, Fax: 069/ 24 26 89 11, eMail: info@k44.de, Internet: www.k44.de. Der Autor ist Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. (mf)