Time Flies

Apples knackige Stunde

16.09.2020 von Peter Müller
Zwei Apple Watches, zwei iPads, ein Service-Bundle mit einem neuen Fitnessdienst: Apple hat sich auf der live übertragenen September 2020-Keynote unter dem Motto "Time flies" kurz gefasst.
Tim Cook wandte sich in einem Video an die interessierte Öffentlichkeit.
Foto: Apple

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen, Apple ist geübt darin. Hatte man die Keynote zur Entwicklerkonferenz WWDC Ende Juni wie die gesamte Veranstaltung rein online abgehalten und neue Maßstäbe für digitale Präsentationen gesetzt, brachte Apple nun den ersten Teil seiner Herbst-Neuvorstellungen in einem ähnlichen Format in das Netz. In den letzten Jahren hatte Apple immer zu einer Show in das Steve Jobs Theater oder früher in die Townhall nach Cupertino geladen und vor ausgewähltem (Presse-)Publikum präsentiert, so lief im Pronzip nun einfach ein langes Video ab, in dem mal Tim Cook sich an die interessierte Öffentlichkeit wandte, mal ein anderer der Apple-Chefs und Direktoren – und mal sogar der Softwarechef Craig Federighi, der diesmal nicht gefragt war, mehr oder minder clownesk in die Kamera blickte.

Schon Ende Juli hatte Apple gesagt, dass sich die iPhones in diesem Jahr verspäten werden – aber dann tauscht man Teile der Show einfach aus. Neue iPads dann eben im September, wenn das iPhone bis Oktober auf sich warten lassen wird. Nur die Apple Watch, die blieb bei ihrem in den letzten Jahren etablierten Termin. Und da machte sie sich auch recht gut, als gar nicht mal so heimlicher Star der Show.

Die Zeit vergeht

Sechs Jahre ist es dieser Tage her gewesen, dass Apple erstmals in der Cook-Ära eine neue Produktkategorie in Angriff nahm. Was die Apple Watch aber sein sollte, kristallisierte sich seither heraus: Die Apple Watch ist ein Gesundheits- und Fitnessgerät, das es an sich auf Krankenschein geben sollte. So zumindest lassen sich die verfilmten Stories von glücklichen Kunden interpretieren, die Apple in Lobesbriefen davon erzählten, wie die Uhr ihr Leben verbesserte und dabei half, Übergewicht zu reduzieren, mit einer chronischen Krankheit oder Einschränkung zu leben oder lebensgefährliche Erkrankungen zu erkennen. Selbst in der Covid-Pandemie erweist sich die Apple Watch als nützlich, in ihrer Fassung Series 6 sogar noch ein Stück mehr. Denn Apple ist es nun gelungen, neben dem Puls und dem EKG auch die Blutsauerstoffsättigung zu messen, ein wichtiger Parameter zur Kontrolle der Gesundheit. Leider kann die Apple Watch Series 6 immer noch nicht den Blutdruck oder gar den Blutzucker messen, das ist vor allem noch eine technische Herausforderung. Aber da Apple in jedem Jahr die Uhr in Richtung Gesundheit verbessert, sind wir eben auf Series 7, 8 und 9 gespannt. Erstmals gibt es die Apple Watch in drei aktuellen Versionen.

Foto: Apple

Neben der Apple Watch Series 6 bleibt die Series 3 im Angebot, die Apple Watch Series 5 ist gewissermaßen eine Series 5 mit reduzierten Funktionen, da sie weder ein EKG erstellt noch ein Alwas-On-Display bietet. An Bord ist der S5 des Vorjahres und die Sturzerkennung, die man seit der Series 4 kennt. Interessantes Feature von iOS 14 und watchOS 7: Man kann nun mehrere Uhren mit einem iPhone koppeln und so weitere Modelle in der Familie verteilen, etwa an die Kinder oder die alten Eltern. Diese Uhren bekämen in der Cellular-Version auch ihre eigenen Telefonnummern, die Kinder und ihre Großeltern vom Küchentisch oder dem Home-Office immer erreichbar und ihr Aufenthaltsort zu ermitteln. Helikopter-Eltern freut das. Mehr Details zu den Apple Watches lesen Sie hier.

Ein neuer Dienst – und ein Bundle

Wie man vielen Krankheiten effektiv vorbeugt? Mit sportlicher Betätigung, klar. Die Apple Watch versucht schon jetzt ihre Träger immer wieder mal zu motivieren, ein charmantes "Quäl dich, du Sau!" haben wir von ihr aber noch nicht vernommen. Vielleicht trauen sich das ja mal die Trainer von Apples neuen Dienst Fitness+, der noch in diesem Jahr starten soll, in den USA, UK, Kanada und Australien. Im Prinzip handelt es sich hier um Workouts, die Instruktoren auf dem Bildschirm von iPhone und iPad oder dem Fernseher (via Apple TV) zeigen und die man im HomeStudio oder dem Wohnzimmer nachmacht, in den Disziplinen Rad, Laufband, Kraft, Yoga und Tanz. Die Apple Watch bleibt natürlich am Handgelenk, deren Daten werden auf den größeren Schirm gespielt. Der Dienst Fitness+ soll 9,99 US-Dollar im Monat oder 79,99 US-Dollar im Jahr kosten, nicht nur bei Fitbit werden einige Leute weinen, sondern auch in den Fitness-Studios, die zuletzt eh ein massives Problem hatten. Natürlich sind die Fitnesstrainer Apples junge und durchtrainierte Leute und bei den vorgeführten Workouts fängt man schon beim Zusehen heftig zu Schwitzen an, doch verspricht Apple auch Vorbereitungskurse, damit man das echte Training überhaupt durchstehen kann. Quäl dich!

Foto: Apple

Wie erwartet legt Apple nun auch seine bisherigen Services in Pakete zusammen, diese sind jedoch nicht überall erhältlich. Das Basispaket von Apple One, Individual genannt, fasst Apple Music, Apple TV+, Apple Arcade und 50 GB iCloud-Speicher für 14,95 Euro im Monat zusammen. Family beinhaltet Apple Music, Apple TV+, Apple Arcade und 200 GB iCloud-Speicher für 19,95 Euro pro Monat und kann von bis zu sechs Familienmitgliedern gemeinsam genutzt werden. Bei Premier kommen noch Fitness+ und Apple News+ dazu, sind also bisher nur für den englischen Sprachraum relevant, in den USA kostet das 30 US-Dollar. Dazu gibt es dann noch 2 TB iCloud-Speicher. Die Preise sind zwar geringer als die Summen der Einzelteile, aber weiter konfigurieren lassen sich die Dienste offenbar nicht und es scheint auch keine weiteren Vorteile zu geben. Wer als Familie aber mit 50 GB iCloud-Speicher nicht zurecht kommt, schaut weiter mit dem Ofenrohr ins Gebirge. Wird also höchste Zeit für Apple News+ und Fitness+ in Deutschland. Mehr zu Fitness+ lesen Sie hier.

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Wer braucht noch ein iPad Pro?

Um zwei Produkte werde es gehen, das hatte Tim Cook schon in der Einleitung der Show gesagt, scheinbar auf einem Flur des Apple Parks stehend, mit Blick in den Innenhof mit seiner Regenbogenbühne. Also, zwei mal zwei, denn auch das iPad kommt in zwei neuen Varianten. Zunächst hebt Apple das Einsteiger-iPad in seiner achten Generation auf ein neues Niveau. Mit dem Chip A12 Bionic kommen erstmals auch neuronale Kerne auf das günstigste Apple-Tablet, was sich vor allem bei der Bildbearbeitung bemerkbar machen dürfte. Vermutlich wird man im Alltag aber nur dann etwas merken, zwar ist laut Apple das neue iPad 8 natürlich deutlich schneller und besser als vorher, doch haben sich die Rahmenbedingungen – und ja auch die Rahmen – nicht geändert. Weiter mit Home-Button, schon länger mit Apple-Pencil-Unterstützung, alles sehr schön, aber kein großer Schritt. Den liefert allenfalls das neue Betriebssystem iPadOS, vor allem im Zusammenspiel mit dem Apple Pencil. Mit diesem kann man nun auch Handschriften in editierbaren Text wandeln, oder Kreise wirklich rund zeichnen. Geht aber auch alles mit dem Vorgänger. Mehr zum iPad 8 lesen Sie hier.

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Wesentlichere Änderungen verpasst Apple dem iPad Air. Und zwar in einer Weise, die fragen lässt, wer denn nun noch ein iPad Pro 11 Zoll kaufen soll. Denn das neue Air hat es in sich, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn der Prozessor A14 Bionic ist der erste, den Apple im 5-Nanometer-Prozess hat herstellen lassen. Erstmals seit dem iPad 2 und dem iPhone 4S kommt eine neue Generation des Apple Silicon zunächst auf das iPad, der Coronakrise sei hier Dank. Mehr zum A14 und seiner Leistungsfähigkeit lesen Sie hier.

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Das iPad Air von 2020 sieht aber auch völlig anders aus als sein unmittelbarer Vorgänger aus dem Frühjahr 2019. Wie das iPad Pro kommt das Air mit schmaleren Rahmen und ohne Home Button. Doch fehlt die Gesichtserkennung Face-ID: Apple setzt weiter auf Touch-ID, hat diese nun aber in dem seitlichen Ein/Aus-Schalter untergebracht. Neue Farben braucht das Land, Apple überarbeitet das Rosegold und bringt nun auch Varianten in Himmelblau und Lindgrün. Mehr zum iPad Air lesen Sie hier.

Nur der Auftakt

Gerade mal eine Stunde dauerte die Präsentation so kurz ist Apple nur bei sehr speziellen Special Events, wie etwa jenem, das im März 2018 in einer Schule in Chicago stieg und nur ein neues iPad brachte. Die neue Form der Präsentation ist natürlich effizienter, mehr Informationen in kürzerer Zeit möglich. Dennoch hatte die Show ihre Längen, in dem ein oder anderen Werbevideo, aber das kennt man auch noch von früher: Retardierende Momente gehören einfach dazu. Sicher hatte Apple seinen Event-Kalender zum Jahreswechsel noch anders geplant, aber wer hatte das nicht? Man muss das beste aus 2020 machen, und wenn auch Apple weder die Apple Watch noch das iPad neu erfunden hat, haben die Neuerungen gewiss ein Special Event gerechtfertigt. Vermutlich wird das im Oktober aber noch ein Stück größer, neue iPhones stehen an, der erste Mac mit Apple Silicon soll noch dieses Jahr kommen, die Airtags klingen nach einer interessanten Ergänzung für die heute erhältlichen Produkte – und dann wäre da ja noch was …