Die Zukunft der Smartwatch

Apple Watch Series 4 im Test

25.09.2018 von Peter Müller
Mehr Bildschirm, mehr Akku, mehr für die Gesundheit: Die Apple Watch Series 4 eröffnet neue Dimensionen.
Apple Watch Series 4 Liquid Metal
Foto: Apple

Jedes Jahr eine neue Uhr, mit nur inkrementellen Verbesserungen – in diesem Jahr ist es mit der Apple Watch Series 4 und dem sie begleitenden watchOS 5 aber anders, die neue Uhr legt einen deutlichen Entwicklungssprung hin und weist in die Richtung, in der sie sich weiter bewegen wird. Dabei ist aber nicht nur die Hardware entscheidend, sondern auch die Software.

Fazit zur Apple Watch Series 4

Die Apple Watch Series 4 bedeutet einen wesentlichen Sprung nach vorne, wenn auch einige der neuen Funktionen noch nicht nutzbar sind, wie etwa die Erstellung des EKGs – und andere Innovationen schon mit watchOS 5 auch auf ältere Geräte kommen. Die Einstiegspreise von 429 Euro (40 mm) und 459 Euro (44 mm) für die GPS-Version (die LTE-Uhren kosten jeweils 100 Euro mehr) mögen abschreckend wirken, wie aber seinerzeit das iPhone 5 bringt die Apple Watch Series 4 vor allem ein Mehr an Information auf den größeren Bildschirm – App-Entwickler haben noch ihre Hausaufgaben dafür zu erledigen. Aber selbst das Upgrade von der ein Jahr alten Apple Watch Series 3 scheint gerechtfertigt, wenn man Anfang 2019 ein EKG-Gerät für das Handgelenk bekommt. Noch mehr Gesundheitsfunktionen dürfte Apple in Arbeit haben, es ist aber höchst ungewiss, wann diese in einem Produkt erscheinen.

Sondermodelle

Die Apple Watch Nike+ verkauft Apple in beiden Ausführungen als Series 3 und Series 4, jeweils zu den Preisen der Standard-Aluminiummodelle. Nur in Edelstahlausführung und nur als Series 4 sind die modischen Apple Watch Hermès zu haben, zu Preisen an 1299 Euro in der 40-mm-Ausgabe und 1349 Euro für die 44-mm-Variante.

Größerer Bildschirm

Dass sich viel geändert hat, wird schon beim Auspacken klar. Eine (leider immer noch in Folie eingeschweißte) Papphülle umrahmt die Pappschachtel mit der Uhr - das Armband liegt diesmal extra bei, ebenfalls in Pappe gehüllt. Die Uhr (unser Testgerät ist ein schwarzes Aluminiummodell mit 44-Millimeter-Screen) finden wir in eine Filzhülle verpackt, Ladegerät und Kabel liegen wie üblich daneben - aber eben nicht in einer Kunststoffschale, sondern in einer solchen aus Pappe. Apple hat mehr Nachhaltigkeit versprochen und Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen – das ist mit der Apple Watch Series 4 schon mal eingehalten.

Die Verpackung hat Apple geändert, mehr Pappe verwendet und kaum noch Kunststoff. Die Uhr selbst ist in einer Filzhülle verpackt.

Wesentlich sind aber technische Neuerungen. Das beginnt aber auch an der Oberfläche: Das Gehäuse der intelligenten Armbanduhr ist nur geringfügig höher und breiter geworden, dafür gegenüber den beiden Vorgängermodellen etwas dünner – der sichtbare Bereich auf dem Bildschirm ist aber wesentlich größer. Apple spricht von dreißig Prozent, wobei sich die Diagonalen nur von 42 mm auf 44 mm respektive von 38 mm auf 40 mm vergrößert haben.

Äußerlich kaum geändert, bietet die neue Apple Watch Series 4 (oben) sichtbar mehr Platz auf dem Schirm - auch bei traditionellen Zifferblättern.

Doch nutzen Anwendungen jetzt mehr des verfügbaren Platzes aus der Bildschirm geht nun bis in die Ecken und Kanten, so man sieht in jeder App einfach mehr. Das ist zum Verkaufsstart aber vor allem nur für die eigenen Anwendungen Apples und die weniger Dritthersteller relevant. Denn Entwickler müssen ihre Hausaufgaben noch erledigen, fast alle der Apps unseres iPhones, die eine Erweiterung für die Apple Watch Series 4 anbieten, kommen mit den neuen Bildschirmvorgaben noch nicht zurecht und lassen sich daher nicht auf der Uhr installieren. Einfach hochskalieren geht nicht, die Series 4 beansprucht schließlich die bisher gar nicht genutzten Bereiche der Geometrie.

Erst wenige Apps lassen sich auf der Apple Watch Series 4 installieren, sie benötigen noch die Anpassung an den neuen Screen.

Zifferblätter mit viel mehr Informationen

Wie man den Platz ausnutzt, zeigen bereits die beiden neuen Zifferblätter, von denen Apple eines ab Werk eingerichtet hat: Infograph in runder Form (Dazu gibt es noch den Infographen in modularer Form). Beiden "Watch-Faces" ist gemein, dass sich bis zu acht Komplikationen auf das Zifferblatt bringen lassen, bisher waren das maximal vier. Manche Komplikationen sind für diese Ansichten auch optimiert, die der Aktivität zeigt etwa nicht nur den Füllgrad der Ringe, sondern nennt auch konkrete Zahlen zu Training und Kalorienverbrauch, die für die Temperatur stellt den aktuellen (errechneten) Wert sowie Tagesminimum und -maximum dar. Auch nur hier möglich: Sich favorisierte Kontakte auf das Zifferblatt legen, die man mit einem Tipp erreichen kann. Eine ähnliche Funktion hatte watchOS 1 schon geboten, der Druck auf die Seitentaste brachte eine Ansicht auf den Schirm, auf der bis zu zwölf Kontakte platziert waren. Mit dem Update auf watchOS 2 war diese Funktion einer Multitaskingansicht mit den wichtigsten Apps gewichen, die auch noch heute Bestandteil des Systems ist. Die Infographen sind exklusiv für die neue Series 4, andere Neuheiten kommen aber mit watchOS 5 auch auf ältere Uhren.

Das neue Zifferblatt Infograph mit seinen acht Komplikationen, die den gegebenen Raum komplett ausnutzen, ohne Informations-Overkill zu schaffen.

Vom größeren Bildschirm der Apple Watch Series 4 profitieren vor allem Apps wie Fotos, Mail oder Nachrichten, von seinen eigenen Bildern bekommt man nun einen wesentlich besseren Eindruck und Textnachrichten lassen sich nun einigermaßen vernünftig lesen. Und die Trainingsapp hat jetzt eine Zeile mehr zu bieten.

Automatismus beim Trainieren, bessere Ansichten

Dafür braucht man keine Apple Watch Series 4, das Update auf watchOS 5 tut es schon: Automatische Trainingsaufzeichnung. Wie oft hatten wir nicht erst nach Beginn unserer sportlichen Aktivität festgestellt, dass wir am Anfang noch gar nicht die Aufzeichnung aktiviert hatten. Das neue Betriebssystem schafft nun Abhilfe, in dem es nach geraumer Zeit die Uhr nachfragen lässt, ob man das eben begonnene Training nicht aufzeichnen will, und zwar mit den Daten, welche die Apple Watch von Anfang an gesammelt hat. Leider gilt das nur für eine sehr eingeschränkte Auswahl, Laufen wie Gehen indoor und outdoor, Schwimmen, Crosstrainer und Rudergerät. Für unsere bevorzugte sportliche Fortbewegungsart, dem Radeln an der frischen Luft, ist das nicht angeboten. Und nach wie vor stoppt die Uhr auch nicht an der Ampel. Hierfür wäre keine besondere Hardware notwendig, Algorithmen sollten anhand der GPS-Daten und des Pulses recht einfach erkennen, was wir hier treiben. Einen automatischen Stopp nach dem Training gibt es auch nur für Läufer. In der Trainingsapp stehen auch zwei neue Favoriten, die bisher unter "Sonstiges" versteckt waren – Yoga und Wandern.

Gibt es mit watchOS 5 auch bei älteren Uhren: Automatische Erkennung des Trainings. Hier: Spazierengehen. Fahrradfahren erkennt die Uhr nicht automatisch.

Für Letzteres ist vor allem die Höhenmessung interessant, die wir auch beim Radeln auf dem Schirm der Uhr haben. Den zusätzlichen Platz der Apple Watch Series 4 nutzt die Trainingsapp eben beim Radeln für diesen Wert, beim Laufen gibt es einen andere Neuerung: Der rollende Kilometer. Dieser zeigt jeweils die Zeit an, die man für den letzten Kilometer benötigte, also nicht etwa für die Meter 2001 bis 3000, sondern bei Meter 3076 die Zeit, die man von den Metern 2076 bis 3075 benötigte. Läufer können so ihre Geschwindigkeit noch ein Stück besser kontrollieren. Draußen trainieren soll man jetzt eine Stunde länger können, bis zu sechs Stunden am Stück. Noch waren wir nicht so fleißig, um das zu verifizieren. Für die Verlängerung verantwortlich sind Optimierungen an vielen Komponenten, wie der effizienteren S4-CPU, dem GPS- und dem Pulssensor. Über die Akkulaufzeit können wir in der Kürze unseres bisherigen Tests noch nicht viel sagen. Wir hatten die Uhr bei 71 Prozent Ladung am Freitag Nachmittag angelegt, haben danach eine Stunde auf dem Rad trainiert, sind am nächsten Morgen eine halbe Stunde gelaufen und steckten erst am frühen Nachmittag bei zehn Prozent Restladung die Uhr an das Ladegerät. Von einem frischen Akku konnten wir derartiges auch erwarten, ob er nun länger als die bisher maximalen zwei Tage (bei wenig Training) durchhält, muss sich noch zeigen. Wir werden den Test entsprechend aktualisieren.

Auch beim Lauf- (links) und Fahrradtraining (rechts) bekommt man mehr Informationen.

Vorsicht, Fälle!

Ein technisches Update erhalten die Beschleunigungssensoren in der Apple Watch Series 4. Diese sind nun in der Lage, Werte bis zu 32 g zu detektieren, bisher war bei 16 g Schluss. Das bringt eine neue, sinnvolle Funktion, nur für die Series 4 (und ihre künftigen Nachfolger). Denn so ist die Uhr in der Lage, Stürze als solche zu erkennen. Das kann Leben retten, denn wenn man fällt und sich nicht weiter bewegt, ruft das mit der Uhr verbundene Telefon (oder die Uhr alleine in ihrer LTE-Variante) den Notruf – und weiß gleich für jedes Land die richtige Rufnummer. Dabei schickt die Uhr auch gleich die Koordinaten mit und alarmiert die im Notfallpass hinterlegten Notfallkontakte. Wir haben das besser nicht ausprobiert, der Missbrauch der Notrufnummern ist schließlich strafbar und an sich wollten wir uns gar nicht auf das Gesicht legen.

Die Sturzerkennung kann Leben retten, Fehlalarme (fasle positives) sind aber nicht ausgeschlossen.

Im Fall des weniger schlimmen Falles hat man nach dem Sturz aber noch Gelegenheit, das Notrufszenario abzubrechen. Manche Sportarten beziehungsweise manche Übungen können die Sensoren aber noch als Sturz fehlinterpretieren, daher erscheint bei der Aktivierung des Sturzsensors eine entsprechende Warnung. Und wenn der Träger der Uhr älter ist als 65 Jahre, aktiviert sich die Funktion von selbst, eine sehr sinnvolle Einrichtung.

Bessere Pulsmessung, bald mit EKG

Letztens hatten wir wegen wiederholter Warnungen unserer Apple Watch Series 3 vor zu hohem Ruhepuls (>100 bpm) den Kardiologen aufgesucht, der glücklicher Weise keine Probleme fand. Uns aber darauf hinwies, dass Pulsuhren doch manchmal recht ungenau wären, da sie etwa Extrasystolen nicht erkennen würden und dann einen höheren Herzschlag anzeigen. In Sachen Herzgesundheit wird die Apple Watch Series 4 echte Verbesserungen bringen, die wir aber erst langfristig ausprobieren müssen. Das beginnt bei der optischen Pulsmessung. Vier statt bisher nur zwei Laserdioden emittieren grünes Licht, die Photozellen sind an der Rückseite der Uhr um deren Zentrum kreisförmig angeordnet. Die beiden Infrarotdioden, die außerhalb des Trainings alle zehn Minuten den Puls checken, sind weiterhin nahe des Zentrums angebracht. Mit der neuen Geometrie will Apple die Zuverlässigkeit der Messung erhöhen, bei unserem Leistungstest in der Arztpraxis vor ein paar Wochen hatten wir aber schon mit der Series 3 festgestellt, dass deren ermittelten Werte sehr nah an denen des professionellen EKGs lagen.

Noch in diesem Jahr in den USA, dann auch weltweit: Die Uhr als EKG-Messgerät

In Kürze werden wir aber das Vergnügen haben, ein Elektrokardiogramm mit dem schicken Gerät an unserem Handgelenk selbst erstellen zu können, ohne uns an große Apparaturen mit ihren seltsamen Saugnäpfen anschließen zu müssen. An der Rückseite der Uhr ist eine Elektrode eingebaut, eine zweite steckt in der digitalen Krone. Berührt man diese, schließt sich der Stromkreis und die Uhr ist in der Lage, aus den Änderungen des Stroms ein EKG zu erstellen und die Daten in die Health-App zu schreiben. Auf diese Funktion müssen wir aber noch eine Weile warten, Apple benötigt in den USA noch die Freigabe durch die Gesundheitsbehörde FDA, in der EU hat man bereits die Freigabe beantragt. In den USA soll es noch in diesem Jahr soweit sein, dass Apple per Softwareupdate das EKG freischalten kann, für die EU nennt der Hersteller noch keinen Zeitrahmen.

Das EKG-Gerät am Handgelenk wird aber einen echten Fortschritt für die Herzgesundheit bieten. Denn wenn nun die Uhr einen Puls über eine einstellbare Schwelle (also etwa 100 bpm) registriert, oder – neu unter watchOS 5 – einen Puls unter einem Mindestwert (ab Werk 40 bpm), bekommt man nicht nur den entsprechenden Alarm auf sein Handgelenk, sondern auch die Aufforderung zur Erstellung eines EKG – die Daten kann man dann gleich per Mail an den Arzt des Vertrauens schicken oder ihm einen Ausdruck in den Briefkasten legen. Ähnlich alarmiert die Uhr, wenn sie Vorhofflimmern erkennt, ein Symptom womöglich ernster Erkrankungen, denen man mittels EKG näher auf den Grund gehen sollte.

Was die Apple Watch Series 4 trotz gegenteiliger Spekulationen noch nicht kann: Blutdruck und Blutzucker messen. Beides ginge durchaus allein mit Spektroskopie, Apple hält auch entsprechende Patente. Die Hardware der aktuellen Ausgabe ist dazu aber nicht in der Lage, wie uns der Hersteller versichert. Ein 24-Stunden-Blutdruckmessgerät oder gar ein solches für Messung des Glukosespiegels wäre ein Knüller – wann Apple aber derartige Technik in ein Produkt bauen wird, bleibt weiter völlig offen.

Verbindung nach draußen

Die Apple Watch Edition hat ausgedient. Das Goldmodell der ersten Generation hatte vermutlich ohnehin nur symbolischen Wert und kaum Käufer gefunden, das Keramikmodell der Series 2 und 3 hingegen war noch einigermaßen bezahlbar, wenn auch deutlich teurer als die Edelstahlvariante. Keramik bleibt als Material aber erhalten, zusammen mit Saphirglas auf der Unterseite der Aluminium- und Edelstahlmodelle. Apple nennt einen technischen Hintergrund: Denn die Antennen der Uhr sind nun nicht mehr hinter dem Bildschirm angebracht und strahlen nur nach oben ab, sondern sitzen unten direkt unter dem Deckel. Da dieser nun für elektromagnetische Wellen durchlässig ist, verbessert sich insbesondere bei der LTE-Variante der Uhr der Empfang. Aber auch die GPS-Variante respektive deren Bluetooth- und WLAN-Antennen profitieren von der neuen Bauweise. In der Praxis fällt das bisher kaum auf.

Wohingegen wir bei einer anderen Änderung des Hardwaredesigns deutliche Unterschiede hören. Mikrophon (rechts) und Lautsprecher (links) der Uhr sind nun an verschiedenen Seiten angebracht, Apple will damit die Sprachqualität bei Telefonaten verbessern. Das hat hörbar geklappt, stellen wir bei unseren Gesprächen fest, man muss zum Telefonieren den Arm nicht mehr vor das Gesicht halten.

Armbänder passen nach wie vor

Was aber aus alten Zeiten auf Anhieb passt, sind die Armbänder. Diese sind bei Apple teuer wie je, das Sportarmband (Silikon), das Nike-Armband und das Sportloop aus gewebtem Nylon kosten jeweils 59 Euro, die Lederarmbänder und die Milanaise 159 Euro. Das Gliederarmband ist für 499 Euro zu haben. Die Hermès-Armbänder kosten in ihren unterschiedlichen Ausführungen 369, 469, 519 und 569 Euro. Im Herbst 2018 werden die Farben wieder gedeckter, Apple stellt die Töne Cape Cod Blau, Indigo, Hibiskus und Nektarine für Silikon, Leder und Nylon vor. (Macwelt)