Sechs Jahre, nachdem Intel angekündigt hatte, die IT-Sicherheitsfirma McAfee für rund 7,7 Milliarden Dollar zu übernehmen, trennten sich im Herbst 2016 die Wege der beiden Unternehmen wieder. Intel verkaufte 51 Prozent der inzwischen als Intel Security geführten Sparte an einen Finanzinvestor. Nur wenige Monate später, Anfang April 2017, kehrte der IT-Security-Anbieter unter dem alten Namen McAfee als unabhängiges Unternehmen auf den Markt zurück. Ein Jahr später befragte ChannelPartner Sascha Plathen, Director Channel Sales Central Europe bei McAfee, zum Stand der Dinge und den künftigen Plänen.
channelpartner.de: Während der Jahre als Teil von Intel wirkte McAfee nach außen oft etwas schwerfällig und träge. Es überraschte daher nicht, dass Ihr Europa-Chef Hans-Peter Bauer zum Start in die Eigenständigkeit im April 2017 versprach, das Unternehmen werde nun wieder agiler sein. Wie wurde das Vorhaben denn umgesetzt?
Sascha Plathen, McAfee: Wir als Team haben uns immer auf IT-Security konzentriert. Aber wir waren natürlich Teil eines größeren Ganzen. Da war nicht immer so deutlich sichtbar, was wir in unserem Bereich geleistet haben. Das ist jetzt wieder anders. Intel gehören zwar immer noch 49 Prozent des Unternehmens, was uns den Rücken stärkt, aber wir können jetzt tatsächlich wieder als IT-Security-Spezialist agieren und haben da freie Hand.
channelpartner.de: Woran zeigt sich das?
Sascha Plathen, McAfee:Indem wir jetzt Trends im IT-Security-Markt wieder schneller aufnehmen und unseren Partnern und Kunden passende Lösungen anbieten können. Zum Beispiel haben wir im November 2017 mit Skyhigh Networks einen interessanten und innovativen Anbieter übernommen. Er gehörte zu den sogenannten Cloud Access Security Brokern, bietet also Technologien an, die es Firmen ermöglichen, die in Bezug auf IT-Security auf sie zukommenden Aufgaben durch die intensivere Cloud-Nutzung zu bewältigen.
Die Übernahme haben wir bereits Ende Januar abgeschlossen. Damit können wir nun wichtige Themen adressieren: Wie gehe ich mit der Cloud um und wie kann ich die Schatten-IT in meinem Unternehmen bekämpfen? Heute umgeht immer mehr Traffic die Unternehmensnetzwerke. Da wird es schwierig zu definieren, wo der Perimeter ist, also wo die Werte des Unternehmens verteidigt werden.
Wir sehen hier künftig zwei große Kontrollpunkte: der Endpoint und die Cloud. Auf dem Endpoint sind wir schon lange etabliert. Der kann heutzutage ganz verschiedene Formfaktoren haben, bis hin zum Roboterarm oder ähnlichen. Dennoch wird Schadsoftware immer noch auf dem Endpoint ausgeführt. Die Kontrolle in der Cloud beherrschen wir jetzt durch die Integration von Skyhigh Networks.
channelpartner.de: Wird es im Zuge der Neuaufstellung von McAfee weitere Übernahmen geben?
Sascha Plathen, McAfee: Ja. Die Partner dürfen gespannt darauf sein, was wir noch zukaufen. Unser Hunger nach Technologie ist noch nicht gestillt.
channelpartner.de: Seit Anfang des Jahres gab es Gerüchte, dass McAfee in Europa das Personal erheblich reduziert.
Sascha Plathen, McAfee: Wir sind seit der Eigenständigkeit im Frühjahr 2017 mit weltweit ungefähr 7500 Mitarbeitern auf dem Markt. Und wir haben alle viel zu tun. In Deutschland gab es keine größeren personellen Veränderungen. Allerdings haben wir die Channel-Betreuung neu organisiert. Unsere Techniker, das Vertriebsteam und die Channel-Betreuer wurden in einer Art Kompetenzzentren zusammengezogen. Die orientieren sich in Deutschland grob an den Bundesländern. So wollen wir unsere Partner besser und vielseitiger betreuen. Die neue Struktur gilt seit Anfang des Jahres.
channelpartner.de: Die neue Organisation ist also noch jung. Sind die Veränderungen schon bei der breiten Masse der Partner angekommen?
Sascha Plathen, McAfee: Partner, die intensiv mit uns zusammenarbeiten, haben das verstanden und setzen das schon um. Den einen oder anderen, der sporadisch mit uns arbeitet, müssen wir da vielleicht noch abholen.
channelpartner.de: Zum Neubeginn 2017 hatte das McAfee-Management auch erklärt, dass zunehmend Bereiche wie IoT und der Sicherheitsbedarf bei vernetzten Fahrzeugen angegangen werden sollen. Das klingt eher nach der Ausrichtung auf das Geschäft mit ganz großen Technologiepartnern, als nach konsequentem, indirekten Vertrieb.
Sascha Plathen, McAfee: In den beiden Bereichen besteht ein enormer Bedarf und gibt es große Möglichkeiten. Die nutzen wir. Das bedeutet aber nicht, dass wir dafür andere Bereiche aufgeben werden, im Gegenteil: In den vergangenen zwölf Monaten hat der Bereich Commercial - also das Geschäft welches überwiegend unsere Partner vorantreiben - bei uns sogar einen höheren Stellenwert als in der Vergangenheit bekommen. Das bereits angesprochene Go-to-market-Modell mit den Kompetenzzentren ist bester Beleg dafür.
channelpartner.de: Und wie geht es in den nächsten Monaten weiter? Was dürfen die Partner erwarten?
Sascha Plathen, McAfee: Technisch wird sich aus der vollständigen Integration von Skyhigh Networks in unsere Produkte Einiges ergeben. Vertrieblich können sich die Partner darauf verlassen, dass wir eine hundertprozentige Channel-Company sind und bleiben werden. Insgesamt wird die Geschwindigkeit zunehmen, nun da wir neu aufgestellt sind. Wir sind da noch lange nicht am Ende angekommen und werden künftig noch schneller agieren.
channelpartner.de: Gibt es einen Bereich, den Sie diesbezüglich herausheben würden?
Sascha Plathen, McAfee: Ein wichtiges Standbein für die künftige Entwicklung ist die Initiative Open Data Exchange Layer (OpenDXL). Da sind wir schon seit zwei Jahren aktiv. Damit wurde eine offene Plattform aufgebaut, die herstellerübergreifende Threat Intelligence, gemeinsame Threat Analytics und auch die Reaktion auf Sicherheitsvorfälle ermöglicht.
Zum Video: Anhaltende Aufbruchsstimmung bei McAfee
Jetzt steht die Architektur und das Ziel, Security über den Data Exchange Layer herstellerübergreifend durchsetzen zu können, ist bereits heute umsetzbar. Besserer Informationsaustausch bei der Cyber-Abwehr ist auch dringend notwendig, wie aktuelle Zahlen unserer Malware-Forscher zeigen.
Das ist die technische Seite. Für unsere Kunden hat der Ansatz den Vorteil, dass sie von einmal getätigten Investitionen in IT-Security-Produkte weiterhin profitieren. Unsere Partner wiederum bekommen durch ein Software Development Kit (SDK) die Möglichkeit, umfassende und übergreifende Security-Infrastrukturen bei ihren Kunden aufzusetzen. Sie sind damit nicht mehr nur auf den Produkt- und Lizenzverkauf angewiesen, sondern können auch qualifizierte Dienstleistungen erbringen und sich so differenzieren.
Vorgeschichte: McAfee als Teil von Intel
Im August 2010 kündigte Intel für viele überraschen die Übernahme von McAfee an. 7,7 Milliarden Dollar ließ sich der Chip-Hersteller den Eintritt in den Markt für IT-Security kosten. Begründet wurde der Schritt damals mit der Notwendigkeit, dass Security inzwischen ein "fundamentaler Bestandteil" von Mobile Computing sei. Fast anderthalb Jahre dauerte es dann, bis die Übernahme abgeschlossen wurde.
Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, gab es bei einer Fusion dieser Größenordnung und zweier so vollkommen unterschiedlicher Unternehmen zahlreiche Reibungsverluste, Personalwechsel, Missverständnisse und Sackgassen. Knapp zwei Jahre später präsentierte sich McAfee auf seiner europäischen Partnerkonferenz dann jedoch in neuer Aufstellung. Das Unternehmen sei für Intel neben "Prozessor" und "Vernetzung" die dritte Säule seines Geschäfts. Security sollte integraler Bestandteil der Chipsätze werden, damit die Angriffe abwehren können, gegen die konventionelle Antiviren-Software machtlos ist. Dahinter steckte die von McAfee entwickelte "Deep Safe"-Technologie.
Mit der Umsetzung kam Intel jedoch über Jahre nicht so voran wie gewünscht. McAfee bemühte sich, parallel weiterhin als "traditionelle" Security-Firma aufzutreten und verstärkte sich sogar in Teilbereichen durch Übernahmen, etwa 2013 mit dem Kauf des damals sehr erfolgreichen und fortschrittlichen Netzwerksicherheits-Spezialisten Stonesoft. Dennoch verlor das Unternehmen als Anhängsel des Chip-Giganten an Schwung, Sichtbarkeit im Markt und Fokus bei der technologischen Weiterentwicklung.
Das machte sich allmählich auch in Berichten von Marktforschern bemerkbar, in denen McAfee nach und nach aus der Spitzengruppe in dem jeweils untersuchten Segment ausschied. Und trotz wiederholter Bemühungen um den Channel und neuen Angeboten für die Fachhandelspartner sowie mehrfacher Aktualisierungen des Partnerprogramms fühlten sich vor allem SMB-Partner bei dem Unternehmen nicht mehr so gut aufgehoben und setzten verstärkt auf Mitbewerber.
Die Geschäftszahlen passten zwar im Großen und Ganzen noch, aber McAfee drohte im dynamischen IT-Security-Markt abgehängt zu werden. Intel ging zunächst in die Defensive: Im Oktober 2015 wurden einige Security-Produkte und -Dienste abgekündigt. Dazu gehörte das McAfee Email Gateway, das als Hardware-Appliance, Virtual-Appliance und Blade Server angeboten wurde. Auch der McAfee Quarantine Manager wurde damals aufgegeben. Den Vertrieb seiner SaaS-Dienste für Verschlüsselung, Archivierung, Verfügbarkeit sowie den Schutz von E-Mails stellte McAfee - beziehungsweise seit 2014 Intel Security- im Januar 2016 ein.
Ebenfalls noch 2016 wurde Stonesoft wieder verkauft. Käufer war das neu formierte US-Sicherheitsunternehmen Forcepoint. Das übernahm auch gleich noch die Produktreihe Sidewinder. Damit hatte sich McAfee respektive Intel Security vom Geschäft mit Firewalls verabschiedet.
Kurz darauf zog Intel komplett die Reißleine. Das Unternehmen verkaufte die Mehrheit an seiner IT-Sicherheitssparte an den Finanzinvestor TPG. 49 Prozent gehören nach wie vor Intel. Zum Start in die wiedergewonnene Unabhängigkeit am 3. April 2017 war jedoch auch dem McAfee-Management die Erleichterung deutlich anzumerken. Hans-Peter Bauer, Europa-Chef des Unternehmens, erklärte damals: "Für Intel waren wir ja eher nur ein Rundungsfaktor." Er hoffte mit der operativen Trennung von Intel wieder agiler zu werden.