Der führende Anbieter von Public-Cloud-Diensten, die Anwender im Selbstbedienungsverfahren (Self Service) ordern und implementieren können, heißt Amazon Web Services (AWS). Nach Angaben von Rightscale, einem Anbieter von Management- und Analyse-Software für Cloud-Umgebungen, nutzten 2017 rund 59 Prozent der Unternehmen Cloud-Dienste, die auf der Plattform von AWS liefen. Weitere 18 Prozent experimentieren mit solchen Services und neun Prozent haben vor, Amazons Cloud-Plattform einzusetzen.
Zum Vergleich: Microsoft Azure setzen Rightscale zufolge 43 Prozent der Unternehmen ein; an die 22 Prozent führen Tests mit der Plattform durch. Deutlich hinter AWS und Azure rangieren Google (15 Prozent Marktanteil) und IBM (10 Prozent). Allerdings konnte AWS seinen Marktanteil zwischen 2016 und 2017 "nur" um drei Prozent erhöhen. Azure verbuchte dagegen einen Zuwachs von 17 Prozent.
Ein Grund für die hohen Werte ist, dass AWS neben Public-Cloud-Services im Bereich Infrastructure as a Service (IaaS) eine breite Palette an Tools für Kunden bereitstellt, die mithilfe der AWS-Plattform Applikationen entwickeln, testen und bereitstellen wollen, Stichwort Platform-as-a-Service. Dazu zählen DevOp-Tools und Dienste, um mobile Services zu entwickeln. Zudem bietet AWS Data Warehouses, Hadoop-Cluster und Datenbanken an.
AWS ist für Amazon eine sprudelnde Geldquelle
Für den Mutterkonzern Amazon hat sich AWS mittlerweile zu einer soliden Einnahmequelle entwickelt. In der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2017 erzielte AWS bei einem Umsatz von rund 7,8 Milliarden Dollar ein Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 1,8 Milliarden Dollar. Der Mutterkonzern Amazon kam im selben Zeitraum auf einen operativen Gewinn von 1,6 Milliarden Dollar, das allerdings bei einem deutlich höheren Umsatz von 73,6 Milliarden Dollar.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass AWS für den Konzern mittlerweile eine zentrale Rolle spielt. Dies hat auch damit zu tun, dass das Management Analysten und Aktionären einen Unternehmensbereich präsentieren möchte, der hohe Gewinnmargen erzielt. Denn in den vergangenen Monaten wuchs die Kritik an der mäßigen Profitabilität des Gesamtunternehmens. Dies bedeutet jedoch auch, dass AWS auch künftig "liefern muss", also möglichst hohe Gewinne erzielt.
Die Architektur der AWS-Cloud
Eine Stärke von AWS ist die globale Cloud-Infrastruktur. Derzeit (Stand: September 2017) verfügt AWS weltweit über 44 Availability Zones in 16 Weltregionen, darunter eine mit drei Availability Zones in Frankfurt am Main, ebenfalls drei in Irland und zwei in London. Fünf weitere will der Cloud Service Provider 2017 etablieren, unter anderem in Frankreich, Schweden, China und Hongkong. Eine Availability Zone besteht aus Gründen der Ausfallsicherheit aus einem oder mehr Rechenzentren. Nutzer von AWS-Diensten können auch mehrere dieser Zonen nutzen und Daten zwischen ihnen replizieren. Dies erhöht die Redundanz für den Fall, dass AWS-Datacenter in einer Region ausfallen, etwa durch eine Naturkatastrophe.
Zudem bietet AWS mehr als 80 Points of Presence (PoP) an. Dort steht Nutzern von AWS-Diensten ein direkter Zugang zur Cloud-Infrastruktur des Unternehmens zur Verfügung. Diese PoPs können beispielsweise zusammen mit dem Content Delivery Service (CDN) CloudFront von AWS eingesetzt werden, um Inhalte (Content) wie "Streaming Media" (Videos) bereitzustellen oder den Zugriff auf Unternehmens-Web-Seiten zu beschleunigen. Hinzu kommen elf regionale "Edge Cache Locations", die für das Zwischenspeichern von Daten dienen, die über CloudFront übermittelt werden.
Die globale Infrastruktur macht AWS vor allem für Unternehmen interessant, die weltweit tätig sind. Die regionale Präsenz hat mehrere Vorteile. Ein technischer Aspekt ist, dass wegen der kürzeren Übertragungswege die Latenzzeiten geringer ausfallen. Das ist speziell für Echtzeit-Dienste relevant, etwa Datenbanken oder Workplaces, die in der Amazon-Cloud vorgehalten werden, sowie für CDN-Services.
Ein zweiter Faktor sind juristische Vorgaben, insbesondere Datenschutzbestimmungen. AWS hat nicht zuletzt deshalb im Oktober 2014 in Frankfurt am Main zwei Availability Zones eingerichtet, um Bedenken deutscher Unternehmen in puncto Datenschutz auszuräumen. Mittlerweile stehen am Standort Frankfurt drei Zonen zur Verfügung. Nach Angaben von AWS können Anwender festlegen, dass Daten ausschließlich in den deutschen Rechenzentren gespeichert und bearbeitet werden. Microsoft, der größte Mitbewerber von AWS, hat erst 2016 zwei Rechenzentren in Deutschland eröffnet. Allerdings ist Microsoft einen Schritt weiter gegangen: Zugriff auf Daten von Azure-Kunden hat mit T-Systems nur ein Treuhänder. Dies soll verhindern, dass sich US-Behörden Zugang zu solchen Informationen verschaffen. Denn amerikanische Unternehmen wie Microsoft, sind dazu verpflichtet, auf Anordnung von Gerichten oder Geheimdiensten solche Daten herauszugeben.
Auch Google, ein weiteres Schwergewicht im Bereich Cloud-basierte Infrastrukturservices, hat mittlerweile in Frankfurt am Main drei Verfügbarkeitszonen für seine Google Cloud Platform (GPC) eingerichtet.
Pluspunkt: Das breite IaaS- und PaaS-Angebot
Kaum zu übertreffen ist AWS derzeit in puncto Angebotsvielfalt. Anwender haben die Wahl zwischen mittlerweile fast 100 Cloud-Angeboten, hinzu kommen ergänzende Services. Die einstige Fokussierung auf Rechenleistung (Amazon EC2), Speicher-Dienste wie den objektorientierten Storage-Service Amazon S3 und Netzwerkservices ist einer breiten Palette von IaaS- und PaaS-Diensten gewichen. Dazu zählen Services wie Elastic Beanstalk für die Implementierung von Web-Applikationen, die Unterstützung von Container-Technologien (EC2 Container) sowie Datenbank-Dienste wie DynamoDB (NoSQL) und der Amazon Relational Database Service (RDS) für MySQL, Oracle-Datenbanken, SQL Server und PostgreSQL.
Mit Aurora stellt AWS zudem eine MySQL- und PostgreSQL-kompatible relationale Datenbank-Engine bereit. Nach Angaben von Amazon verknüpft sie die Geschwindigkeit und Verfügbarkeit einer kommerziellen Datenbank mit der Wirtschaftlichkeit einer Open-Source-Lösung. Zu den Nutzern von Aurora zählt die Bayer Crop Science AG. "Ein Großteil unserer Logiken steckt in Postgres-Datenbanken, die wir als RDS-Service nutzen", sagt Dr. Thomas Schilling, Head of IT Digital Farming bei dem Unternehmen. "Die Aurora-Plattform wird hier einen Performance-Gewinn bringen und uns eine aufwändige Migration zu No-SQL-Datenbanken ersparen."
Ebenso wie die Cloud-Angebote von Microsoft Azure und die IBM-PaaS-Plattform Bluemix greift AWS auf das Konzept der Microservices zurück. Beispiele sind Amazon S3, Amazon Simple Notification Service (SNS), Amazon Elastic Block Storage (ELB), AWS X-Ray für das Debuggen von Applikationen und die Data-Warehouse-Lösung Amazon Redshift. Aus solchen Mikrodiensten können Nutzer in Kombination mit anderen Cloud-Services modulare Applikationen zusammenstellen. Der Ansatz hat den Vorteil, dass jedes Modul separat erweitert und angepasst werden kann, ohne dass die komplette Anwendung in ihrer Funktion beeinträchtigt wird. Allerdings erhöht sich durch diese Architektur die Komplexität.
AWS: Offen für Linux, Windows und mehr
Ein weiterer Pluspunkt sind die Entwicklungsumgebungen von AWS. Sie unterstützen alle gängigen Frameworks, von Java und JavaScript über .NET bis hin zu Ruby, Python und PHP. Zudem stehen Cloud-Ressourcen für die Entwicklung und Bereitstellung von Code zur Verfügung, etwa CodePipeline und CodeDeploy.
Positiv zu werten ist die Offenheit der Amazon-Cloud-Plattform. Amazon EC2 stellt beispielsweise seit jeher sowohl Windows- als auch Linux-Instanzen zur Verfügung. Microsoft dagegen tat sich lange Zeit schwer mit Services jenseits der Windows-Welt. Nutzer von AWS-Diensten können somit unterschiedliche Services "mixen", also beispielsweise virtualisierte Windows- und Linux-Systeme in Kombination mit Linux-Firewalls und dem Amazon Simple Email Service (SES).
Diese Vielfalt von AWS-Cloud-Services hat zwei Facetten: Zum einen ist auf dem Markt derzeit kein vergleichbares Angebot vorhanden. Zum anderen erfordert die Vielzahl der Optionen ein profundes "Cloud-Wissen" beim Anwender. Vor allem Unternehmen, deren IT-Abteilungen mit Cloud-Services wenig Erfahrung haben, kann dieses Angebot überfordern. Das bestätigt das deutsche Beratungshaus Crisp Research: "Die meisten Unternehmen, die mit geringer Komplexität und wenig Aufwand auf der Infrastrukturebene kurzfristig Erfolge erzielen möchten, sind mit der Amazon Cloud überfordert. Das Angebot ist sehr vielfältig, richtet sich aber weiterhin an Infrastruktur-Profis und Entwickler."
Niedrige Preise setzen Microsoft, IBM und T-Systems unter Druck
Amazon, die Muttergesellschaft von AWS, ist bekannt dafür, sich als preisgünstige Alternative zum klassischen Fachhandel zu positionieren. Eine vergleichbare Strategie verfolgt auch AWS, berichtet Constantin Gonzalez Schmitz, Principal Solutions Architect bei AWS Deutschland: "Ebenso wie unsere Kollegen von Amazon.com bieten wir unseren Kunden ein breites Angebot, hohe Verfügbarkeit und niedrige Preise." Dass diese Strategie darauf hinausläuft, Konkurrenten wie Microsoft, IBM, Google oder T-Systems mittels Preis-Dumping in Bedrängnis zu bringen, weist Gonzales Schmitz zurück: "Wir bauen unsere Plattform immer weiter aus und erzielen dadurch Skalierungseffekte. Die damit verbundenen Kostenvorteile geben wir an unsere Kunden weiter." Auch künftig will AWS an dieser Strategie festhalten: "Seit dem Start von AWS im Jahre 2006 haben wir mehr als 50 Mal die Preise gesenkt, und wir sind uns sicher, dass unsere Kunden sich auch in Zukunft nicht über Preissenkungen beschweren werden."
Mitbewerber wie Microsoft, Google und IBM bringt dies unter Zugzwang. So senkte die Windows-Company 2016 den Preis für die Virtual Machines der Reihe Azure D, die über Microsofts Cloud-Plattform Azure bereitgestellt werden, um bis zu 17 Prozent. "Im Gegensatz zu AWS-EC2-Instanzen stellen wir kostenlos zusätzliche Funktionen wie Load Balancing und die automatische Skalierung bereit", erläutert Nicole Herskovitz, Produktmarketing-Direktorin Cloud Platform bei Microsoft, in einem Beitrag im Azure-Blog. Zudem kündigte sie weitere Preisnachlässe an, beispielsweise für Entwickler, die Azure als Test- und Entwicklungsplattform nutzen.
Auch im Frühjahr 2017 setzte sich die Tendenz zu sinkenden Preisen bei Azure fort. So mussten Kunden von Microsoft bis zu 51 Prozent weniger für Virtual Machines und Storage-Ressourcen bezahlen. Die Preispolitik ist sowohl für Microsoft als auch AWS jedoch ein zweischneidiges Schwert. Günstige Preise und die hohe Angebotsvielfalt erhöhen zwar die Attraktivität der Cloud-Dienste. Gleichzeitig droht jedoch die Gefahr, dass die Gewinnmarge schrumpft. Dies dürfte wiederum den Anteilseignern von Amazon ein Dorn im Auge sein. Immerhin gibt es erste Anzeichen dafür, dass der Preiskampf zu Ende geht, zumindest zwischen AWS, Azure und Google. Dagegen drängen Anbieter wie der deutsche IT-Konzern 1&1 sowie der chinesische Amazon-Konkurrent Alibaba mit günstigen Angeboten auf den Public-Cloud-Markt.
AWS Marketplace: Cloud-Applikationen aus dem Web-Store
Um seine Cloud-Plattformen für Anwender attraktiver zu machen, hat sich AWS sukzessive für Anbieter von Cloud-Applikationen geöffnet. Im Marketplace von Amazon Web Services standen im Frühjahr 2017 mehr als 5.000 Applikationen aus 35 Kategorien zur Verfügung. Mit dem Marketplace greift AWS in Deutschland vergleichbare Angebote von T-Systems und Salesforce.com an, aber natürlich auch Microsofts Azure-Plattform.
Nach Einschätzung der Beratungsgesellschaft ISG zählt AWS neben Salesforce.com zu den wenigen Anbietern im Bereich Cloud Computing, denen es gelungen ist, ein funktionierendes Ökosystem rund um ihre Plattformen zu etablieren. Dies schließt nicht nur Standardapplikationen wie Datenbanken und Office-Pakete ein, die über den AWS Marketplace bereitgestellt werden. Wichtig sind laut ISG auch spezielle Angebote für individuelle Anforderungen, beispielsweise Next-Generation Firewalls oder Application Delivery Controller.
AWS-Kunden: Vom Startup bis zum Großkonzern
Vom Image, vorzugsweise Startup-Unternehmen zu bedienen, die sich kein eigenes Rechenzentrum leisten können, hat sich AWS längst befreit. Das gilt auch für Deutschland. Zwar zählen junge Unternehmen wie Zalando und der Musikservice Soundcloud zu den Kunden. Allerdings finden sich auf der Kundenliste auch arrivierte Firmen wie der Streaming-Dienst Netflix, Adobe, Bayer, Philips, die Software AG, Siemens, dessen Konkurrent GE sowie der Online-Versender Zalando.
Diese Basis von renommierten Kunden dürfte AWS als Türöffner nutzen, um weitere Unternehmen für seine Cloud-Services zu gewinnen. Auf dem AWS Summit 2015 in Berlin forcierte das Unternehmen außerdem den Einsatz der Amazon-Cloud in Behörden und öffentlichen Einrichtungen. In Deutschland setzen unter anderem die Universität Heidelberg und das Städel Museum in Frankfurt AWS-Services ein. Auch die Berliner Philharmoniker zählen zu den Kunden von Amazon. Das Orchester hat seinen Bestand an Videos in die AWS-Cloud verlagert. Von dort aus werden Mitschnitte der Konzerte in HD-Qualität Interessenten zur Verfügung gestellt.
Nachholbedarf in Sachen Partnerlandschaft
Nachholbedarf hat AWS nach wie vor im Bereich Partnernetzwerk. So stellt ISG in seinem Cloud Navigator 2017 fest: "Das Partner- und Channel-System ist noch im Aufbau und muss weiter vorangetrieben werden." Dieser Punkt spielt gerade in Deutschland eine große Rolle, dessen Wirtschaft vor allem von mittelständischen Unternehmen geprägt ist. Diese benötigen Hilfestellung, wenn sie "Workloads" in eine Cloud-Umgebung verlagern möchten oder eine Hybrid-Cloud-Umgebung aufbauen wollen.
AWS verfügt derzeit über eine überschaubare, aber erlesene Anzahl von Partnerschaften. Auf der Liste der Consulting-Partner finden sich Unternehmen wie Arvato, Acentix, die Beck et al. Services GmbH, Claranet, die Direktgruppe und ITM. Noch ausbaufähig ist jedoch die Kooperation mit Systemhäusern. Immerhin zählen Unternehmen wie die Cloud AG zur Riege der AWS-Partner, mittlerweile auch einige Schwergewichte wie etwa Cancom.
Dies mag damit zusammenhängen, dass ein Gutteil der AWS-Dienste im Rahmen eines "Self-Service-Modells" bereitsteht und von Nutzern eigenständig implementiert wird. Hinzu kommt, dass die Einbindung von Cloud-Services in eine IT-Infrastruktur tiefgreifende Änderungen nach sich ziehen kann, vom Umbau der IT-Umgebung bis hin zur Anpassung von Geschäftsprozessen. Dies erfordert ein profundes Wissen, nicht nur beim Anwender, sondern auch beim Berater und dem Systemhaus. Über dieses Know-how dürften selbst viele Systemhäuser noch nicht verfügen. Allerdings ändert sich das derzeit. So ist beispielsweise Bechtle dabei, seine Palette von Public-Cloud-Diensten zu erweitern. Das Systemhaus bietet, ebenso wie Cancom, Cloud-Dienste von Microsoft und AWS an und unterstützt Unternehmen dabei, ihre IT-Infrastruktur an diese Cloud-Plattformen anzukoppeln.
AWS und Accenture: Hilfe aus der Consulting-Branche
Außerdem setzt AWS auf Consulting-Unternehmen wie Accenture. Im Herbst 2015 gründeten AWS und Accenture die Accenture AWS Business Group. Das Gemeinschaftsunternehmen hat drei Kernaufgaben:
· Unterstützung von Unternehmen bei der Transformation von Applikationen und IT-Umgebungen mit dem Ziel, Cloud-Dienste von AWS nutzbringend einzusetzen,
· die Ergänzung von Accentures Big-Data-und Analytics-Plattform Insights um entsprechende Cloud-Services von Amazon,
· die Entwicklung neuer Cloud-Dienste in vielversprechenden Marktsegmenten wie dem Internet der Dinge (Internet of Things) und bei IT-Sicherheitsservices.
Die Accenture AWS Business Group spricht zumindest derzeit in erster Linie Großunternehmen an. Zu den Schwerpunkten des Angebots zählen Services für das Internet der Dinge (IoT), die Portierung von Anwendungen auf AWS sowie Big-Data- und Analytics-Dienste auf Basis der Amazon-Cloud.
AWS-Zukunft: SaaS-Angebote erweitern den Cloud-Stack
Der Markt der Cloud-Dienste in den Bereichen Infrastructure as a Service und Platform as a Service ist noch lange nicht ausgeschöpft. Dennoch ist AWS dabei, weitere Bereiche des "Cloud Stack" zu erschließen, sprich das SaaS-Segment. Dort sind Anbieter wie Microsoft, Oracle, SAP und Salesforce.com stärker vertreten als AWS. Doch dies ändert sich. Ein Beispiel ist Amazon WorkMail, ein E-Mail- und Kalender-Service, der ähnliche Funktionen aufweist wie Microsofts Cloud-Versionen von Exchange und Office (Office 365). Es ist offenkundig, dass Amazon Web Services damit eine Alternative zu Microsoft bieten möchte.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass Amazon Web Services in neue Bereiche vorstößt, ist Amazon Workspaces. Dieser Dienst stellt komplette IT-Arbeitsplätze über die Cloud bereit. Mithilfe des Amazon Workspaces Application Manager (WAM) haben Nutzer die Möglichkeit, einen Workspace mit Applikationen zu bestücken. Das können Anwendungen aus dem Amazon Marketplace sein, aber auch eigene Programmpakete. Mit diesem Service bietet AWS eine Alternative zu technisch aufwändigen VDI-Implementierungen (Virtual Desktop Infrastructure). Nach Angaben von ISG hat AWS durchaus das Zeug dazu, sich in diesem Marktsegment zum Marktführer zu entwickeln.
Hand in Hand mit VMware
Zu den interessantesten Lösungen, die AWS 2017 zusammen mit VMware vorstellte, zählt VMware Cloud on AWS. Der Dienst ist seit Ende August in den USA verfügbar; 2018 kommen weitere AWS-Zonen hinzu, auch Deutschland.
VMware Cloud on AWS ermöglicht es Unternehmen, ihre VMware-Umgebung "as a Service" aus der Amazon-Cloud zu beziehen. Das gilt für gesamten Data-Center-Stack, also vSphere, NSX (Netzwerkvirtualisierung), vSAN (Storage-Virtualisierung) und die dazu passenden Management-Tools wie vCenter Management. Hinzu kommt vMotion. Mit dieser Software lassen sich Virtual Machines zwischen dem Unternehmensrechenzentrum und der Cloud hin und her schieben.
Mit VMware Cloud on AWS steht Nutzern somit eine ähnliche Lösung wie Azure Stack von Microsoft bereit. Mit beiden können Unternehmen eine hybride Cloud-Umgebung einrichten. "Kunden können problemlos Anwendungen zwischen ihren lokalen Umgebungen und AWS verschieben, ohne dass sie neue Hardware erwerben oder den IT-Betrieb ändern müssen", wirbt denn auch Pat Gelsinger, der CEO von VMware.
Fazit Amazon Web Services
Amazon Web Services (AWS) ist nach wie vor der unumstrittene Platzhirsch im Bereich Public-Cloud-Dienste. Das Angebot entsprechender Services ist in Bezug auf den Umfang und die Tiefe unübertroffen. Das gilt auch für das Tempo, in dem Amazon seine Produktpalette erweitert. Weitere Pluspunkte sind die starke Position im Bereich Platform-as-a-Service, wenn auch hinter Microsoft Azure, und die Einbindung von Drittanbieterlösungen über den AWS Marketplace. Ein geschickter Schachzug war zudem, deutsche Unternehmen über Rechenzentren vor Ort, sprich in Frankfurt am Main, mit Cloud-Diensten zu versorgen.
Nachholbedarf hat AWS immer noch dort, wo Beratungsleistungen und die praktische Umsetzung von Cloud-Projekten ins Spiel kommen. Speziell in Deutschland benötigen kleinere und mittelständische Unternehmen Hilfe, um den richtigen Weg in die Cloud zu finden. Das gilt vor allem für den Aufbau von Hybrid-Cloud-Umgebungen. Abhilfe kann der weitere Ausbau des Partnernetzwerks durch AWS schaffen. Bedarf an versierten Cloud-Spezialisten besteht durchaus. Das gilt vor allem für Unternehmen, die Hybrid Clouds aufbauen möchten. Sie sind häufig auf die Hilfe von Systemhäusern angewiesen.
Abzuwarten bleibt, ob Amazon seine bewährte Strategie "Mehr Cloud für weniger Geld" mittel- und langfristig durchhalten kann. Denn sie mag zwar auf den ersten Blick für Cloud-User vorteilhaft sein. Würde dadurch jedoch die Produktqualität leiden, wären am Ende nicht nur die Kunden die Leidtragenden.
Amazon Web Services Pro & Contra
Pro
· Globale Cloud-Infrastruktur
· Sehr breites Angebot an IaaS- und PaaS-Diensten zu vergleichsweise günstigen Preisen, das ständig erweitert wird
· Erweiterung des SaaS-Angebots
· Breite Unterstützung gängiger Infrastruktur- und Entwickler-Plattformen
Contra
· Partnernetzwerk noch vergleichsweise schwach ausgeprägt
· Wenige Beratungs- und Unterstützungsangebote für kleine und mittelständische Unternehmen
· Große Zahl der Services erschwert Orientierung