AWS re:Invent 2016 Highlights und Analyse

Amazon Web Services drängt in neue Geschäftsfelder

12.12.2016 von Björn Böttcher
Auf der Kundenkonferenz AWS re:Invent 2016 wurde deutlich, dass Amazon Web Services das Thema Hybrid Cloud ernst nimmt und verstärkt große Unternehmen als Kunden gewinnen will.

Die Innovationskraft von Amazon Web Services manifestiert sich zumeist in neuen Diensten und Features. Diese erscheinen über das Jahr verteilt, und das bereits seit 2008. Damals erweiterten 24 Services und Features das Cloud-Portfolio. Seitdem hat die Anzahl der Mitarbeiter, der Niederlassungen und auch der Regionen deutlich zugenommen. Daher ist der Releasezyklus mittlerweile deutlich erhöht und das Ziel für dieses Jahr steht bei 1000 neuen Möglichkeiten für die Kunden. Damit steigt jedoch auch die Komplexität des Angebotes und die Kunden müssen bei ihrem Weg in die Cloud versuchen, diese beherrschbar zu machen und die Innovationsgeschwindigkeit auf das eigene Unternehmen und die Anforderungen entsprechend anzupassen. Zur Keynote auf der AWS re:Invent 2016, die mehr als 32.000 Besucher anlockte, waren daher auch einige Kunden und Partner zusammen mit CEO Andy Jassy auf der Bühne. Sie berichteten von den eigenen Herausforderungen bei der digitalen Transformation in der IT-Abteilung.

McDonalds präsentierte seine E-Commerce-Plattform in der Amazon-Cloud
Foto: Björn Böttcher

Darunter waren auf der Kundenseite McDonalds, vertreten durch CTO Tom Gergets, Finra, vertreten durch CIO Steve Randich und Enel, vertreten durch Fabio Veronese (Head of ICT Solution Center Infrastructure & Networks, Head of Infrastructure and Technological Services). Sie präsentierten Einblicke in die Herausforderungen der eigenen Branche und den individuellen Weg hin zur eigenen digitalen Plattform als Grundlage für die digitale Zukunft. Dabei setzten alle referierenden Kunden stark oder sogar komplett auf AWS als den Partner für die neuen Dienste und Produkte.

Hybrid Cloud ist mehr als ein Trend - auch bei AWS

Wie etliche Studienergebnisse von Crisp Research belegen, ist die Nutzung der reinen Public Cloud zwar noch beim einen oder anderen Kunden eine Option, jedoch kein Modell, welches die meisten in Zukunft präferieren werden. Aus diesem Grund muss auch AWS versuchen, hier die Tür weiter aufzubekommen und neue Bereiche für das eigene Business zu erschließen. Da der Trend zu Multi Cloud sicherlich keine Option für Amazon ist, bleibt nur die Private und die Hybrid Cloud als ein neues Betätigungsfeld, um neue Kunden zu gewinnen. Einen Schritt in diese Richtung hat AWS bereits im Oktober 2016 mit der Ankündigung von VMware Cloud on AWS getan.

Um diese Bemühungen zu unterstreichen, war auch VMware-CEO Pat Gelsinger zusammen mit Andy Jassy auf der Bühne und diskutierte, wie die Adaption bis jetzt vorangeschritten ist. Dabei war deutlich zu spüren, wie sehr der Druck auf VMware momentan lastet. Laut Gelsinger haben große Unternehmen wie Merck, Amadeus, Sysco, McDonalds oder auch Western Digital ein starkes Interesse an dieser neuen Option. Diese hybride Variante ist jedoch erst ab Mitte nächsten Jahres verfügbar. Man wird also sehen, ob die Pläne sich dann auch in Workloads manifestieren werden.

VMware Cloud on AWS war für Amazon Web Services ein wichtiger Schritt in Richtung Hybrid Cloud.
Foto: Björn Böttcher

Workday setzt auf AWS als bevorzugten Partner

Ähnlich interessant und spannend war die Ankündigung von Workday, sich nun AWS als primären Partner ausgewählt zu haben. Damit folgt der SaaS-Anbieter dem Pfad von VMware und bewegt sich weg von einer zu engen Partnerschaft mit IBM und hin zu einer sehr engen mit AWS. Für AWS ist das eine gute Möglichkeit, noch mehr Nutzer und Daten auf die eigene Plattform zu bekommen. Ebenso ist die Präsenz von unzähligen Partnern und ISVs auf der re:Invent ein klares Zeichen in Richtung größerer Geschäftskunden.

Workday, Anbieter von Finanz- und HR-Software aus der Cloud, hat sich AWS als bevorzugten Public-Cloud-Provider ausgesucht.
Foto: Björn Böttcher

Deep Learning und AI - endlich auch auf der Amazon Cloud

Mit der Ankündigung von Amazon AI (Artificial Intelligence) bekennt sich nun auch AWS stärker zu Deep-Learning-Technologien. AWS folgt damit der Konkurrenz in diesem Bereich. Andere Hersteller wie Google und Facebook haben es bereits vorgemacht. AWS setzt dabei wieder vollkommen auf die Entwickler. Ziel ist es, möglichst alle Developer in die Lage zu versetzen, Deep Leraning Funktionalitäten für die eigenen Dienste und Produkte einsetzen zu können, ohne zu tief in die Theorie einsteigen zu müssen.

Die Demokratisierung von Deep-Learning-Technologien steht hier also klar im Fokus. Ein klares Bekenntnis zur Open-Source-Gemeinschaft gibt es bei AWS jedoch nicht so stark, wie beispielsweise bei Google mit Tensorflow. Lediglich die Zusammenarbeit an MXNet ist hier zu verzeichnen, da dies das bevorzugte Framework von AWS für Deep Learning ist. Es bleibt abzuwarten, ob der späte Einstieg hier den gewünschten Schwung bekommt. Mit Alexa (Echo und Dot) als eigenständigem Produkt zeigte Amazon zumindest schon einmal, wie es gehen kann. Dennoch sind hier nur die ersten Schritte unternommen worden und man sollte abwarten, was noch auf der Roadmap steht, wie beispielweise eine Unterstützung von mehreren Sprachen. Dies bremste auch schon andere Hersteller aus. Das prominenteste Beispiel ist hier sicherlich IBM Watson.

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AWS wird zum Hardwarehersteller - die Zukunft heißt IoT

AWS wird mehr und mehr zum Hersteller von Hardware. Während im eigenen Rechenzentrum beziehungsweise beim Betrieb und Aufbau der eigenen Cloud sicherlich auch viel Eigenentwicklung im Spiel sein dürfte, gab es bisher wenig Hardware für Partner oder Endkunden von AWS. Dies wird sich nun ändern. Mit Amazon Greengrass wird der Dienst Lambda inklusive weiterer Services auf Intel und ARM basierten Plattformen wie etwa Raspberry Pi oder Intel Edison Einzug halten. Im Kontext des Internet of Things (IoT) eröffnet sich damit ein neuer Markt für Hersteller von Connected Devices und ebenso für AWS. Dies ist ein riesiger Schritt für AWS, da die eigene Komfortzone damit verlassen wird und die Dienste bis auf die Endgeräte ausgedehnt werden - Stichwort Edge Computing.

Das erste Gerät diese Art stellte AWS auch gleich selbst mit der Weiterentwicklung des Snowball Angebotes vor. Snowball Edge bietet Rechenleistung und Speicherplatz (100 TB) als eine mobile Lösung an und besitzt neben Embedded Lambda auch einen S3 Endpunkt. Dies ist besonders für Windfarmen, Schiffe und weitere, von der kontinuierlichen Internetverbindung abgeschnittenen, Anwendungsfälle interessant. Die Daten können vor Ort gesammelt werden, kleinere Analysen direkt vor Ort auf dem Gerät durchgeführt werden und später dann in der Cloud genauer analysiert und archiviert werden.

AWS re:Invent 2016: Evolutionen statt Revolutionen

Natürlich durfte auch ein Update der klassischen Compute-Instanzen auf der wichtigsten AWS-Konferenz nicht fehlen. Daneben wurden ein neuer Elastic-GPU Dienst und AWS Lightsail angekündigt. Mit Elastic GPUs für die EC2 Instanzen ist es nun möglich, die Rechenleistung von Grafikkarten bei Bedarf zu nutzen. Dies erfolgt ähnlich einfach wie das Einhängen eines EBS Festplatte. Da die Komplexität der Dienste und damit auch der Einstieg in das Cloud Computing beim Branchenführer noch weiter gestiegen ist, musste hier entsprechend gegengesteuert werden. Denn unlängst wichen Entwickler auf einfachere Angebote für das Testen und Entwickeln aus. Mit Lightsail bietet AWS nun also einen kostengünstigen Einstieg in das Cloud-Portfolio und erlaubt auch die einfache Migration auf die Standardinstanzen, wenn der Produktivbetrieb aufgenommen werden soll. Für einen kleineren und spezialisierten Kundenkreis gibt es nun auch F-Instanzen, welche die Programmierung von FPGAs in der Cloud auch bei AWS ermöglichen.

PostgreSQL Datenbank in der AWS-Cloud

Auch im Bereich Datenbanken sieht AWS Chancen, noch mehr Unternehmenskunden zu gewinnen. Der SQL-Datenbank-Service Amazon Aurora bietet nun auch Unterstützung und damit eine Migrationsmöglichkeit für PostgreSQL-Datenbanken an. Dies stieß beim Publikum auf den vermutlich größten Zuspruch. Belegt wird dies auch durch die Tatsache, dass Aurora der am schnellste wachsende AWS-Dienst aller Zeiten ist. Dies ist besonders bemerkenswert, da Aurora eigentlich ein Dienst mit ziemlich enger Bindung an den Hersteller ist.

Mit Amazon Athena bietet Amazon nun auch die Möglichkeit an, Datenabfragen auf dem Objektspeicher S3 direkt auszuführen und dazu keinerlei Rechenleistung mehr zu benötigen. Das ist eine wirklich gute Idee und ein sehr nützlicher Dienst; allerdings folgt AWS auch hier anderen Herstellern. Beispielsweise bietet Joyent mit Manta hier bereits seit längerem eine Lösung an.

Der zweitgrößte Applaus am ersten Tag der Kundenkonferenz war dem neuen Schneemobil von AWS zuzuschreiben: Mit AWS Snowmobile ist es Kunden nun möglich, riesige Datenmengen per LKW und echtem Container in die Cloud zu bringen. Der Container kann bei AWS bestellt werden. Dieser erscheint dann am eigenen Rechenzentrum und wird mit allen Daten vollgepumpt. Wenn der Vorgang abgeschlossen ist, was Monate dauern kann, fährt der GPS-unterstütze Truck zu einem AWS-Standort und lädt die Daten dort ab.

Summary: AWS setzt auf Hybrid Cloud, IoT und Edge Computing

Viel Evolution, wenig Revolution und eine klare Ausrichtung auf Edge Computing, IoT und Hybrid Cloud: Das sind die Merkmale der AWS-Strategie. Der Cloud-Primus will sich weitere Geschäftsfelder einverleiben. Dies geschieht jedoch nicht so revolutionär wie in früheren Zeiten. Vielmehr handelt es sich um eine natürliche Weiterentwicklung des eigenen Portfolios. Unverkennbar ist, dass die Partnerlandschaft sehr groß geworden ist. Die klaren Bekenntnisse von Workday und VMware zu AWS helfen, das Geschäft mit größeren Unternehmenskunden voranzutreiben.