Amazon steigt in einer Strategiewende groß in den stationären Lebensmittelhandel in den USA ein. Der weltgrößte Online-Händler übernimmt die Bio-Kette Whole Foods Market für rund 13,7 Milliarden Dollar. Die Läden sollen unter der bisherigen Marke weiterarbeiten.
Whole Foods Market betrieb nach jüngsten Zahlen aus dem Frühjahr 461 Lebensmittel-Supermärkte. Davon entfiel ein Großteil mit 440 Geschäften auf den USA, weitere 12 waren in Kanada und 9 in Großbritannien. Die 1978 gegründete Firma ist auf hochwertige - und entsprechend teuere - Lebensmittel spezialisiert.
Amazon hatte in den vergangenen Jahren den stationären Handel stark unter Druck gesetzt, unter anderem mit günstigeren Preisen. Im Geschäft mit Lebensmitteln preschte der Online-Händler unter anderem mit dem Service Amazon Fresh vor, der jüngst auch in Deutschland startete. Der Konzern zeigte zuletzt aber immer mehr selbst Interesse am Geschäft mit Einkaufsläden. So eröffnete Amazon mehrere Buchgeschäfte in den USA und schmiedet auch Pläne für kleine High-Tech-Supermärkte, die von wenigen Mitarbeitern betrieben werden können.
Wal-Mart in Bedrängnis
In einer Gegenbewegung baute der amerikanische Supermarkt-Riese Wal-Mart immer stärker sein Online-Geschäft aus - und kaufte just am Freitag den Modehändler Bonobos für 310 Millionen Dollar. Mit den beiden Zukäufen heben die beiden Schwergewichte ihre Rivalität auf eine neue Ebene. Amazon bekommt mit dem Zukauf stationäre Ladenlokale in guter Lage in 42 US-Bundesstaaten und könnte damit unter anderem Warenlieferungen beschleunigen und die Kundenbindung verbessern.
Die Anleger hatten eine klare Meinung dazu, wem sie die besseren Chancen zutrauen: Die Aktie von Wal-Mart verlor im frühen US-Handel zeitweise über 6 Prozent und der Kurs des Konkurrenten Kroger sackte sogar um fast 14 Prozent ab. Für das Amazon-Papier ging es dagegen mehr als drei Prozent aufwärts.
Auch international waren Schockwellen der Ankündigung zu spüren: Die Aktie des niederländischen Konzerns Ahold verlor zeitweise über sieben Prozent, für das Carrefour-Papier ging es um über zwei Prozent abwärts und für den britischen Konkurrenten Sainsbury um mehr als drei Prozent. Die Aktie des deutschen Metro-Konzerns gab zunächst um gut 1,5 Prozent nach, erholte sich dann aber auf ein Minus von 0,8 Prozent.
Mitgründer von Whole Foods bleibt an Bord
In dem Kaufpreis für Whole Foods sind auch die Schulden des Lebensmittelhändlers enthalten, wie Amazon am Freitag mitteilte. Die Firma hatte sie zuletzt auf rund 3,1 Milliarden Dollar beziffert. Die 42 Dollar pro Aktie in Bar sind ein kräftiger Aufschlag auf den Schlusskurs von gut 33 Dollar am Donnerstag.
Der Finanzinvestor Jana Partners war zuletzt unzufrieden mit der Geschäftsentwicklung bei Whole Foods und hatte die Firma zu einem Verkauf gedrängt. Whole Foods hatte im vergangenen Quartal den Umsatz lediglich um ein Prozent auf knapp 3,74 Milliarden Dollar gesteigert, der Gewinn sank im Jahresvergleich von 142 auf 99 Millionen Dollar. In den USA werden gut 97 Prozent der Erlöse erwirtschaftet.
Der prägende Mitgründer und Chef John Mackey soll auch unter dem Dach von Amazon an der Spitze der Kette bleiben. Für den Online-Händler ist es der mit Abstand größte Zukauf seiner Geschichte nach dem Kauf der auf das Streaming von Videospielen spezialisierten Plattform Twitch für rund eine Milliarde Dollar. (dpa/rs)