Ein Umsatzplus von 29 Prozent, aber dafür ein Gewinnrückgang um 96 Prozent – das sind die Eckdaten der Geschäftsentwicklung von Amazon im zweiten Quartal. Wie Firmenchef Jeff Bezos gestern mitteilte, konnte der weltgrößte Onlinehändler seinen Umsatz in den Monaten April bis Juni von 9,91 Milliarden Dollar auf 12,83 Milliarden Dollar steigern. Als Wachstumstreiber erwies sich dabei das Geschäft auf dem nordamerikanischen Heimatmarkt, wo die Zuwächse mit 36 Prozent deutlich höher lagen als im Rest der Welt (22 Prozent). Große Dynamik gab es mit plus 38 Prozent außerdem im Sortimentsbereich „Electronics and Other General Merchandise“, während Amazon im Mediengeschäft „nur“ um 13 Prozent zulegen konnte.
Trotz des unaufhaltsamen Wachstumskurses vermeldete Amazon für das zweite Quartal 2012 einmal mehr ein dürftiges Geschäftsergebnis: Mit 7 Millionen Dollar befindet sich der Versandhändler gerade noch in der Gewinnzone, fiel gegenüber dem Vorjahr aber um 96 Prozent zurück. Einer der Hauptverantwortlichen für das schwache Ergebnis ist die Akquisition des Logistik-Technologie-Spezialisten Kiva Systems im Berichtszeitraum.
Amazon bleibt damit seiner Tradition treu, mit hohen Investitionen in weiteres Wachstum zu investieren. Auch für das laufende Quartal ist hier keine Änderung zu erwarten: Firmenchef Jeff Bezos kündigte eine Umsatzsteigerung zwischen 19 und 31 Prozent an, warnte aber bereits vor einem negativen Quartalsergebnis von zwischen 50 und 350 Millionen Dollar. Erstaunlicherweise reagierten die Börsen schon fast gleichgültig auf die notorisch schwache Gewinnsituation des weltgrößten Onlinehändlers. Das Vertrauen in künftige Dividenden wiegt hier schwerer als die Bewertung der aktuellen Bilanzsituation.
Einen leichten Dämpfer für alle Amazon-Enthusiasten lieferte bei der Diskussion der Geschäftszahlen allerdings Tom Szkutak, der CFO des Unternehmens. Hatte Amazon noch vor kurzem mit Meldungen aufgeschreckt, der Onlinehändler plane mittels Lieferung am Bestelltag („Same-day-delivery“) einen Großangriff auf den stationären Handel, so wiegelte Szkutak nun ab: „Wir sehen derzeit keine Möglichkeit, die flächendeckende Lieferung am Bestelltag in einer wirtschaftlich vernünftigen Art und Weise anzubieten.“ Allerdings werde der Onlinehändler auch jenseits dieses Ziels am konsequenten Ausbau seiner Logistik-Kapazitäten festhalten und die Liefergeschwindigkeit damit weiter erhöhen. Eine Entwarnung für den Stationärhandel sieht anders aus: Denn selbst wenn Amazon in näherer Zukunft nicht „flächendeckend“ am Bestelltag liefert, würde bereits die Same-day-delivery in einigen großen Ballungsräumen ausreichen, um viele niedergelassene Händler in erhöhte Schwierigkeiten zu bringen. (mh)