Ring, Anbieter von Video-Türklingeln und Video-Überwachung für Privatpersonen, hatte schon vor der Übernahme durch Amazon 2018, das wenige Monate vorher den Ring-Wettbewerber Blink übernommen hatte, nicht den besten Ruf, was den Umgang mit den Daten seiner Benutzer und die Sicherheit seiner Produkte anbelangt. 2019 etwa wurde bekannt, dass die in der Ukraine ansässigen Entwickler von Ring seit 2016 uneingeschränkten Zugriff auf die Videoaufnahmen von Ring-Kunden hatten.
Begründung: Das Unternehmen "hatte das Gefühl, dass Verschlüsselung die Marktkapitalisierung reduzieren könnte". Auch in den USA hatten Manager und Entwickler des Unternehmens umfangreichen Zugriff auf das Support-Video-Portal und damit auf ungefilterte Live-Feeds von Kameras bei Ring-Kunden - unabhängig davon, ob das für ihre Aufgaben erforderlich war.
Ebenfalls 2019 hatte Ring-CEO Jamie Siminoff im Firmen-Blog eine - später etwas modifizierte und abgeschwächte - Kriegserklärung an alle Kriminellen veröffentlicht. Außerdem spendierte er damals allen Angestellten Tarnhemden - man ziehe schließlich in den Krieg - und erleichtert es Polizeibehörden erheblich, Zugriff auf Videos der Ring-Produkte zu bekommen.
Anfrage des US-Senators Ed Markey
Jetzt hat Ed Markey, Senator für Massachusetts, und Mitglied des Wirtschafts-, Wissenschafts- und Transport-Komitees des US-Senats, die Antwort auf eine Anfrage (PDF) an den Ring-Besitzer Amazon veröffentlicht. Markey ist als Kritiker des Unternehmens bekannt und sich wiederholt gegen den Zugriff auf Consumer-Produkte als Mittel der Polizeiarbeit ausgesprochen.
In ihrer aktuellen Antwort weigerte sich die Amazon-Sparte, bei künftigen Produkten auf Sprach- und Gesichtserkennung zu verzichten. Facebook und Microsoft hatten etwa auf ihre Gesichtserkennungsfunktionen verzichtet oder zumindest erklärt, sie nicht mehr an Polizeibehörden zu verkaufen - wie zuvor schon Amazon und IBM. Apple hält ebenso wie Microsoft an Gesichtserkennung zur Nutzerauthentifizierung fest, bemüht sich aber, sie abzusichern.
Ring beziehungsweise Amazon räumt darüber hinaus ein, dass im bisherigen Verlauf des Jahres 2022 bereits elf Mal Polizeibehörden ohne Zustimmung der Besitzer oder einen Gerichtsbeschluss Zugriff auf Video-Feeds seiner Kameras gewährt wurden. Allerdings betont das Unternehmen auch, es lasse sich dafür nicht bezahlen. Außerdem versichert es, es werde weder Einwanderungsbehörden Aufnahmen zur Verfügung stellen noch an verdeckten Polizeioperationen teilnehmen.
Zugriff auf Video-Feeds ohne Zustimmung der Kamerabesitzer
Mit dem Zugriff auf Video-Feeds ohne Zustimmung der Kamerabesitzer verstößt Ring auch gegen seine eigenen Prinzipien. Die schränkt es allerdings dadurch ein, dass es sich in "Notfällen" das Recht vorbehält, Ausnahmen davon zu machen.
Unter einem Notfall versteht Ring "Fälle mit unmittelbarer Gefahr des Todes oder der schweren Körperverletzung einer Person." Der Bitte von Senator Markey, genauer auszuführen, wie diese Notfall-Definition ausgelegt wird, wollte Amazon nicht entsprechen. Es teilte lediglich mit: "Ring stellt nach Treu und Glauben fest, ob die Anfrage dem bekannten Standard entspricht."
Konkret heißt das, dass Mitarbeiter eines privaten Unternehmens sich anmaßen, die Aufgabe der Gerichte übernehmen zu können. Ihre Einschätzung entscheidet statt eines Gerichtsbeschlusses darüber, ob Eingriffe in Grund-, Menschen- und Bürgerrechte gerechtfertigt sind.