Amazon zieht angesichts der heftigen Kritik an dem Umgang mit Leiharbeitern erste Konsequenzen. Der Internet-Versandhändler trennt sich von zwei Dienstleistern: einer Sicherheitsfirma, die unter anderem Wohnanlagen für Saisonkräfte in Logistikzentren überwachte, und einer Firma, die für Unterbringung und Transport der in der Weihnachtszeit eingesetzten Zeitarbeiter verantwortlich war.
"Amazon hat veranlasst, dass die Zusammenarbeit mit dem kritisierten Sicherheitsdienst mit sofortiger Wirkung beendet wird", sagte eine Sprecherin und bestätigte einen Bericht von "sueddeutsche.de". Und weiter: "Es ist uns eindeutig nicht gelungen, die Einhaltung unserer hohen Standards auch durch den Dienstleister, der für Unterbringung, Transport und den Einsatz der Sicherheitskräfte verantwortlich war, zu gewährleisten."
Seit der Ausstrahlung einer ARD-Dokumentation über schlechte Arbeitsbedingungen von Zeitarbeitern in Deutschland am 13. Februar (--> wir berichteten) erlebt der US-Konzern einen Sturm der Entrüstung. Vor allem im Internet machen viele Kunden ihrem Unmut Luft und drohen mit einem Boykott. Am Wochenende hatte sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in die Debatte eingeschaltet und der Leiharbeitsfirma, die mit Amazon zusammenarbeitet, mit einem Lizenzentzug gedroht.
Die Zeitarbeitsbranche will unsaubere Praktiken nicht hinnehmen. "Immer dort, wo illegale beziehungsweise unethische Machenschaften im Zusammenhang mit Zeitarbeitseinsätzen praktiziert werden, distanzieren wir uns ausdrücklich hiervon", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), Werner Stolz. Die Mitglieder des Verbands hätten sich einem Ethikkodex verpflichtet und arbeiteten zudem mit einer Schlichtungsstelle zusammen.
Kritik an den Arbeitsbedingungen im Versandhandel hatte es bereits zuvor gegeben, etwa beim Online-Versandhaus Zalando. Das Unternehmen hat dagegen nach eigenen Angaben Maßnahmen ergriffen. "Wir haben Sozialstandards entwickelt, die für unsere eigenen Standorte gelten sowie für Dienstleister im Bereich Logistik. Diese Standards wurden von unseren Dienstleistern unterschrieben. Die Einhaltung soll künftig durch externe Prüfer kontrolliert werden", sagte ein Sprecher.
Insgesamt sei diese Praxis aber kein Einzelfall. Die Strategie, typische Tätigkeiten außerhalb des Tarifvertrags für den Einzelhandel von Fremdfirmen erledigen zu lassen, verfolgten nahezu sämtliche Einzelhändler von Real bis Rewe, sagte der Frankfurter Verdi-Sekretär Bernhard Schiederig. So erhielten die Wareneinräumer oft nur 6 bis 7 Euro statt der eigentlich fälligen 11,69 Euro. Inzwischen säßen selbst an den Kassen gelegentlich schon Leiharbeiter. "Der Verdrängungswettbewerb wird über Niedriglöhne geführt."
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"Graumsamste Arbeitsbedingungen"
Bei den ebenfalls heftig umstrittenen Paketdiensten laufe die Billigmasche vor allem über die Zwischenschaltung von nicht tarifgebundenen Subunternehmern, berichtete Tarifsekretär Patrick Fois. Die betroffenen Unternehmen hätten zwar Besserung gelobt, hielten aber teilweise immer noch an Verträgen fest, die Fahrer mit einem "Bruttolohn 1.200 Euro all inclusive" abspeisten. Damit sollten sämtliche Überstunden und Zuschläge abgegolten sein.
Auch der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff prangert die Arbeitsbedingungen bei Amazon an: "Mir sind mehrfach von dort Beschäftigten grausamste Arbeitsbedingungen geschildert worden", sagte der Autor. Das betreffe vor allem Saison- und Leiharbeiter. Aus Zuschriften von Betroffenen gehe hervor, dass diese von Kameras überwacht, schon bei kleinen Verschnaufpausen zum Vorgesetzten zitiert würden und mit Repressalien rechnen müssten. "Über die Arbeiter wird verfügt wie über Leibeigene."
Die Gewerkschaft Verdi kämpft indes um höhere Löhne für die fest angestellten Amazon-Beschäftigten. An den Standorten Leipzig und Bad Hersfeld hätten erste Gespräche mit dem US-Unternehmen stattgefunden, berichtete der Frankfurter Verdi-Sekretär Bernhard Schiederig am Montag. Man fühle sich stark genug, einen Tarifvertrag durchzusetzen. Verdi verlangt, dass Amazon den Flächentarifvertrag für den Einzelhandel anerkennt. Daraus würden sich deutlich höhere Stundenlöhne ergeben. Bislang orientiere sich das nicht tarifgebundene Unternehmen am Tarifvertrag für die Logistikbranche. (dpa/tö)