Lange Zeit galt das Portfolio der Amazon Web Services als die Anlaufstelle für Entwickler und Startups, welche die Public Cloud-Infrastruktur nutzen, um Test-Ballons zu starten oder gar ihren Traum vom nächsten Milliarden-Dollar-Unternehmen zu verwirklichen. Dass Startups jedoch nicht unbedingt mit den größten Schatullen ausgestattet sind und sich der Geldsegen vorwiegend bei etablierten Unternehmen finden lässt, hat sich in der jüngsten Vergangenheit auch bei Amazon herumgesprochen und der Anbieter hat reagiert.
Amazon WorkMail im Überblick
Bei Amazon WorkMail handelt es sich um einen vollständig verwalteten E-Mail- und Kalender-Service, wie man ihn von Google Apps for Work oder Microsoft Office 365/ Microsoft Exchange kennt. Das bedeutet, dass ein Kunde sich nicht mit der Administration der E-Mail-Infrastruktur und der dafür notwendigen Server und Software auseinandersetzen muss. Er muss lediglich die Verantwortung für das Anlegen der Nutzer, E-Mail-Adressen und Sicherheitsregeln auf Nutzerbasis übernehmen.
Amazon WorkMail bietet Zugriff über eine Weboberfläche, unterstützt Outlook-Clients und mobile Endgeräte anhand des Exchange ActiveSync Protokolls. Die Verwaltung aller Nutzer findet über den kürzlich veröffentlichten Verzeichnisdienst AWS Directory Service statt.
Der Dienst ist mit einer Vielzahl vorhandener AWS Services verbunden. Darunter Directory Service, AWS Identity and Access Management (IAM), AWS Key Management Service (KMS) und Amazon Simple Email Service (SES). Die Integration mit Amazon WorkDocs (ehemals Amazon Zocalo) erlaubt es Dokumente innerhalb eines E-Mail-Workflows zu verschicken.
E-Mail als Einstiegsdroge
E-Mail - ein No-Brainer? Sollte man meinen. Nachdem IBM und Microsoft allerdings erst kürzlich wieder Investitionen in das Thema vorgenommen haben, ist die E-Mail nach wie vor ein Dauerbrenner. E-Mail gehört zu der Kategorie der "low hanging fruits", also denjenigen Produkten, mit denen sich ohne großen Aufwand schnell ein Erfolg erzielen lässt.
Im Fall von Amazon WorkMail ist diese Portfolioerweiterung als logischer Schritt zu betrachten. Der Ausbau des Service-Katalogs um andere Dienste wie Amazon WorkSpaces (Desktop-as-a-Service) und Amazon WorkDocs (File-Sync and Share) richtet sich gezielt an die Unternehmenskunden, für welche die Amazon-Cloud bisher kein Anlaufpunkt war.
Dies hat unterschiedliche Gründe. Der Hauptgrund besteht darin, dass die Amazon Cloud-Infrastruktur als Programmierbaukasten primär für diejenigen Kunden attraktiv ist, die drauf eigene Web-basierte Applikationen entwickeln wollen. Anhand von Valued-added- beziehungsweise Enablement-Services, stehen Dienste zur Verfügung, mit denen sich aus den puren Infrastruktur-Ressourcen wie Amazon EC2 (Rechenleistung) oder Amazon S3 (Objekt-Speicher) ein Mehrwert kreieren lässt. Denn eine EC2-Instanz ist am Ende des Tages nur eine virtuelle Maschine und bringt von sich aus keinen Mehrwert.
Die meisten Unternehmen, die mit geringer Komplexität und wenig Aufwand auf Infrastrukturebene kurzfristig Erfolge erzielen wollen, sind im Self-Service-Modus auf der Amazon Cloud überfordert. Dafür fehlt den meisten noch das notwendige Cloud-Wissen und Developer-Skills, um die Skalierbarkeit und Hochverfügbarkeit der virtuellen Infrastruktur im Eigenbetrieb sicherzustellen. Das Service-Angebot ist mittlerweile sehr vielfältig, richtet sich aber weiterhin an echte Infrastrukturprofis und Entwickler.
Der kontinuierliche Ausbau des Portfolios lässt den Cloud-Stack von AWS vertikal immer weiter wachsen. Nach Infrastructure-as-a-Service (IaaS) und Platform-as-a-Service (PaaS) ist Amazon mit WorkSpaces, WorkDocs und WorkMail endgültig im Segment für Software-as-a-Service (SaaS) angekommen. Amazon geht dazu über, die eigene Cloud-Infrastruktur mit weiteren höherwertigen Services auszulasten. Bei Oracle lässt sich exakt das Gegenteil beobachten. Nachdem im SaaS-Umfeld gestartet wurde, arbeitet sich der Datenbank-Primus nun den Cloud-Stack hin zu IaaS herunter.
E-Mail ist weiterhin ein wichtiger Geschäftsprozess in den Unternehmen. Daher ist es nur ein logischer Schritt von Amazon, auch in diesem Bereich ein Wort mitreden zu wollen. Gleichzeitig kann der neue Service für potentielle Neukunden als Einstiegsdroge wirken, um andere Vorteile auf der Amazon Cloud zu entdecken. Weiterhin kann das Partnernetzwerk von Systemintegratoren Amazon WorkMail nutzen, um ihren Kunden eine verwaltete E-Mail-Lösung anzubieten. Wie erfolgreich Amazon mit WorkMail sein wird bleibt abzuwarten. Mit Google Apps, Microsoft Hosted Exchange, Zoho oder Mailbox.org (powered by Open-Xchange) befinden sich seit geraumer Zeit viele ausgereifte Lösungen am Markt.
Unterm Strich muss man eines verstehen: IaaS im Amazon-Style lässt sich ideal zur Eigenentwicklung von Web-Applikationen und Services nutzen. Managed Cloud Services und SaaS-Dienste helfen bei der kurzfristigen Adaption neuer Technologien. Amazon WorkSpaces, WorkDocs und WorkMail fallen exakt in diese Kategorie. (bw)