Notebooksbilliger-Chef Arnd von Wedemeyer

"Alle Elektronikversender müssen sich neu erfinden"

04.02.2014 von Matthias Hell
Das scheinbar unbegrenzte Wachstum der ITK-Online-Händler stößt derzeit an erste Grenzen. Um weiter zu wachsen, müssten sich die Elektronikversender neu erfinden, meint Arnd von Wedemeyer im großen ChannelPartner-Interview. Die größten Chancen für sein Unternehmen sieht der Notebooksbilliger-Chef dabei vor allem in der Positionierung als beratungsstarker Online-Fachhändler.
Ist mit dem Verkauf des letzten Jahres zufrieden: Notebooksbilliger-Chef Arnd von Wedemeyer
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Als erster Elektronikversender hat Cyberport vor wenigen Tagen seine Umsatzentwicklung für 2013 bekanntgemacht - ein mageres Wachstum von 2 Prozent auf 548 Mio. Euro. Wie ist in dieser Hinsicht das vergangene Jahr für Notebooksbilliger.de verlaufen?

Wedemeyer: Wir haben uns dazu entschlossen, unseren Umsatz für 2013 nicht öffentlich zu kommunizieren. Aber wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung im letzten Jahr.

2012 hatte sich Notebooksbilliger um 7 Prozent auf 491 Mio. Euro gesteigert. Ist es Ihnen 2013 gelungen, die Umsatzhürde von 500 Mio. Euro zu überspringen?

Wedemeyer: Ja, die halbe Milliarde Euro haben wir geschafft.

Reden wir statt über Zahlen über die strategische Entwicklung im letzten Jahr: Welche Themen standen für Notebooksbilliger in den vergangenen Monaten im Mittelpunkt?

Wedemeyer: In der Branche müssen sich derzeit alle neu erfinden. Bisher gab es in unserem Bereich ein automatisches Wachstum, das ist jetzt nicht mehr so. Für uns entscheidend ist daher die Frage, welche Qualitäten wir den Kunden bieten müssen, um auch dann zuzulegen, wenn die Märkte nicht mehr von selbst wachsen. Und dabei machen wir offensichtlich einen guten Job. Denn laut den GfK-Zahlen für den Notebook-Bereich haben wir 2013 in einem schrumpfenden Markt weiter Anteile dazugewonnen.

Was macht Notebooksbilliger hier besser als der Wettbewerb?

Wedemeyer: Wir haben es geschafft, von den Kunden als ein Super-Fachhändler mit einer sehr hohen Kompetenz wahrgenommen zu werden. Das betrifft bis jetzt vor allem den Notebook-Bereich, doch wir wollen diese Stellung auch in anderen Bereichen erreichen. Es gibt neben Notebooks bereits einige Segmente, wo wir einen zweistelligen Marktanteil haben. Unser Ziel ist es, die Anzahl dieser Bereiche weiter auszubauen.

"Einzigartiges Angebot für die Kunden - und die Industrie"

Das klingt einleuchtend. Doch wie schafft man es als Online-Anbieter, bei den Kunden als Fachhändler der Wahl zu punkten?

Wedemeyer: Es gibt eine ganze Menge von Produkten mit technischen Eigenschaften und Funktionen, die man zunächst nicht unbedingt auf dem Radar hat. Wenn man es hier schafft, den Nutzen entsprechend zum Kunden zu transportieren, würden diese Produkte viel mehr Leute kaufen. Wir haben das im letzten Jahr zum Beispiel im Bereich NAS getestet. Das sind Produkte, bei denen es ein hohes Maß an Erklärung braucht, um bei den Kunden erst einmal ein Kaufbedürfnis zu erzeugen. Wir haben zu dem Thema eine große Menge qualitativ hochwertigen Content auf unsere Webseite gestellt, eine Mailadresse für Kundenfragen und eine Telefon-Hotline eingerichtet. Auf diese Weise ist es uns gelungen, den Umsatz in den Bereich tatsächlich signifikant zu steigern. Wir werden uns daher künftig - sowohl im B2C- wie auch im B2B-Bereich - gezielt solche Nischen aussuchen und uns hier entsprechend engagieren.

Damit antworten wir auch auf die Produktentwicklung in den letzten Jahren: Erst gab es den Fachhandel, dann kamen Media Markt und Saturn und haben die Angebote stark standardisiert. Das war so lange in Ordnung, wie die Produkte nur ein relativ niedriges Hightech-Niveau hatten. Inzwischen entwickelt sich die Technik aber sehr in die Breite und sind wir auf dem Weg zu einem Internet der Dinge. Da wird es auch für uns als Online-Anbieter wichtig, wie ein richtig gutes technisches Kaufhaus aufzutreten und in Summe einen optimalen Kundenservice zu bieten.

Wenn sich ein einst als Preisbrecher verschriener Anbieter wie Notebooksbilliger nun verstärkt als Fachhändler positioniert, dürfte das nicht nur im Sinne der Kunden sein, sondern auch bei der Industrie große Freude auslösen…

Wedemeyer: Bei Notebooks hat die Industrie das schon immer wahrgenommen. Wenn viele Kunden sich bei uns informieren und bei unserer Hotline anrufen, dann erzeugt das ein höheres Kauf-Momentum, weniger Frust mit den Geräten und auch eine stärkere Mundpropaganda. Und ich denke, wenn wir diesen Kundenservice nun auf mehr Bereiche ausweiten, ist das sicherlich auch für die Industrie gut. Ja, wir schlagen hier gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe und bieten sowohl den Kunden wie auch der Industrie etwas, das es sonst woanders nicht gibt.

Notebooksbilliger expandiert: Neue Stores und Sortimentsausbau

Notebooksbilliger betreibt stationäre Stores in München, Düsseldorf und Hannover-Sarstedt
Foto: Notebooksbilliger

Wenn Notebooksbilliger künftig den Kunden verstärkt erklärungsbedürftige Produkte näherbringen will - würde es sich dann nicht anbieten, die Anzahl und auch die Größe der Stores zu erweitern? Schließlich dürfte für die Vermittlung von neuen Technologien und Produkten das haptische Erleben eine große Rolle spielen.

Wedemeyer: Das denke ich nicht. Wir öffnen schließlich nicht neue Bereiche für den Massenmarkt, sondern eher für Early Adaptors. Und diese würden das Fachpersonal in größeren Stores niemals auslasten. Zudem müssten wir dann auch höhere Preise verlangen. Wir setzen lieber weiterhin darauf, sehr spezialisiert mit einer hohen Qualität zentral zu verkaufen, als die Kunden dezentral und dafür mit einer niedrigeren Qualität anzusprechen.

Ich sehe daher bei uns weniger einen Bedarf an zusätzlichen stationären Angeboten als an Dienstleistungen. Hier gibt es im Markt durchaus Interesse, vor allem dann, wenn Services zu fixen Preisen angeboten werden. Aber das müssen wir auch nicht selbst machen. Hier ist es genauso gut möglich, mit Partnern zu kooperieren und zum Beispiel ein Netzwerk mit spezialisierten Dienstleistern aufzubauen.

Bleiben wir noch etwas beim stationären Handel: Wie haben sich die Notebooksbilliger-Stores im letzten Jahr entwickelt - allen voran das neu eröffnete Ladengeschäft in Düsseldorf?

Wedemeyer: Der Store in München wächst weiter und auch der Store in Düsseldorf fährt die gleiche Wachstumskurve, die wir schon von dem Geschäft in München kennen. Die Abholung von Online-Bestellungen macht dabei in unseren Stores nur rund ein Drittel des Umsatzes aus. Es ist also ein echtes Zusatzgeschäft, das wir mit den Stores erschließen. Und auch online läuft in den jeweiligen Regionen mehr, als das vor der Store-Eröffnung der Fall wahr. Es scheint, dass sich hier Trust- und Branding-Effekte aus dem stationären Handel positiv auf das Online-Geschäft auswirken.

Da stellt sich die Frage, warum Notebooksbilliger das Tempo der Store-Eröffnungen nicht beschleunigt?

Wedemeyer: Wir wollen ja mehr Stores aufmachen. Nur bleibt für uns weiterhin klar, dass es sich dabei immer um eine ganz unseren Ansprüchen entsprechende Immobilie handeln muss. Das macht die Expansion schwer und auch langsam. Aber wir wollen nicht in die Situation kommen, wo das Geschäft schwächelt und wir mit den Stores Verluste machen. Wer jetzt mit stationären Geschäften nicht profitabel ist, wird große Probleme bekommen, wenn der Markt einmal schrumpft. Unser Vorteil ist, dass wir beim Ausbau unseres Store-Netzes überhaupt nicht unter Zugzwang sind, denn solche Ladengeschäfte wie wir macht niemand und wir haben mit unserem stationären Konzept daher keine Konkurrenz.

Können Sie schon sagen, ob es 2014 neue Notebooksbilliger-Stores geben wird?

Wedemeyer: Wir haben ein paar interessante Immobilienangebote in Süddeutschland, da müssen wir mal schauen. Anders sieht es im Norden aus: In Hamburg oder Berlin würden wir zum Beispiel gerne einen Store eröffnen, haben aber bis dato noch nichts gefunden, was unseren Vorstellungen entspricht. Am ehesten könnte es nach derzeitigem Stand 2014 einen neuen Store in Wien geben. Wir verhandeln dort gerade verschiedene Optionen.

"Ich glaube nicht an eine Wachstumsgrenze für Online"

Wenn man über das Thema Expansion spricht, muss man neben den stationären Stores auch über den Ausbau des Online-Geschäfts reden. Bei Notebooksbilliger gibt es ja schon lange nicht mehr nur Notebooks. Wie weit können Sie den Ausbau des Sortiments vorantreiben ohne die Kunden damit zu überfordern?

Wedemeyer: Natürlich stellt sich hier immer die Frage zwischen der Sortimentsbreite und dem Nutzen, den ich damit für den Kunden herstelle. Aber ich glaube auch nicht, dass wir in allen Bereichen, die gleiche Kompetenz haben müssen, wie im klassischen PC-Bereich. Bei uns gibt es inzwischen sogar Rasenmäher, die auch ganz gut gekauft werden. Aber ich denke, dass er hier langsam grenzwertig wird und mit der Sortimentsausweitung dann auch einmal Schluss ist. Ich sehe keinen Kundennutzen darin, bei uns zum Beispiel Bücher zu kaufen. Den besseren Content und auch die Marktführerschaft haben in dem Bereich ganz andere. Wenn es um digitale Güter geht, passt beispielweise der Download von Software-Programmen sehr gut zu uns. Weniger Sinn sehe ich dagegen beim Medien-Streaming - wenn Netflix wie angekündigt nach Deutschland kommt, werden sich hier viele ganz warm anziehen müssen.

Sehen Sie in der gegenwärtigen Marktentwicklung nur eine vorübergehende Schwächephase oder gibt es in der weit entwickelten Elektronikbranche so etwas wie eine natürliche Wachstumsgrenze für den Online-Handel, der wir uns zunehmend annähern?

Wedemeyer: Das ist schwer zu sagen. Mit heutigem Stand beobachten wir jedenfalls weiter ein Wachstum. Und ich hätte mir nie vorstellen können, dass eines Tages auch einmal Rasenmäher bei uns online performen. Deshalb glaube ich eher nicht an eine Wachstumsgrenze. Gerade die junge Generation kauft inzwischen fast nur noch online - und in unseren Sortimentsbereichen ist die Tendenz zu Online noch einmal stärker.

Ich würde deshalb weniger nach einer Grenze für den Online-Handel fragen, als danach, wie gut es dem stationären Fachhandel gelingen wird, neue Konzepte zu entwickeln. Wenn ich sehe, wie wenige Mitarbeiter es heute auf der Fläche gibt, sehe ich keinen Grund dazu, in einen Retail-Markt zu gehen. Im Vergleich zur entsprechenden Fachabteilung in einem Media Markt haben wir in unseren Stores deutlich mehr Personal. Insgesamt hat der Elektromarkt zwar mehr Mitarbeiter, aber das nützt mir nichts, wenn ich ein Notebook kaufen will.

Der Notebooksbilliger-Chef über Media-Saturn, Cyberport und Getgoods

"Repekt für die Kollegen": Notebooksbilliger-Chef Wedemeyer hat seine Einschätzung zu Media-Saturn in Teilen revidiert

Lassen wir uns über den Wettbewerb reden. In der Vergangenheit waren Sie ja sehr kritisch im Hinblick auf die Chancen von Media-Saturn im Online-Geschäft. Haben Sie Ihre Meinung diesbezüglich inzwischen revidiert?

Wedemeyer: Was Media-Saturn wirklich gut gelungen ist, ist die Verzahnung von Mobile-App und der Abholung in den Märkten. Allerdings muss man fragen, ob das wirklich Online-Umsätze sind oder nicht eher ein Service für Kunden, die in Wirklichkeit vor allem stationär kaufen wollen. Aber für Media-Saturn macht es auf jeden Fall, ihre lokale Dichte auszuspielen und mit Verfügbarkeitsinformationen bei den Kunden zu punkten. Das ist eine gute Arbeit, die die Kollegen da gemacht haben.

Cyberport hat unter anderem das hohe Tempo von Media-Saturn im Online-Bereich für das schwache Wachstum im vergangenen Jahr verantwortlich gemacht. Nehmen Sie das ähnlich wahr?

Wedemeyer: Im IT-Bereich spüren wir Media-Saturn nicht. Das sind sehr unterschiedliche Käufer und auch Kaufbedürfnisse, die wir bedienen. Das Online-Angebot von Media Markt ist zum Beispiel für Kunden interessant, die eine neue Xbox sofort haben wollen. Das beantwortet zwar noch nicht die Frage, ob es Media-Saturn gelingen wird, die bestehenden Flächen wirtschaftlich sinnvoll zu nutzen. Aber innerhalb der bestehenden Möglichkeiten macht deren Online-Strategie durchaus Sinn. Als echter Onliner nehmen wir das von der Geschäftsentwicklung her aber nicht wirklich wahr.

Wie sieht das im Fall von Conrad Electronic aus, die ihre Online-Aktivitäten in letzter Zeit deutlich ausgebaut haben?

Wedemeyer: Das ist ein ganz anderer Markt mit ganz anderen Käufern. Davon spüren wir gar nichts.

Immerhin hat Conrad Ende letzten Jahres das Überleben der Getgoods-Onlineshops gesichert…

Wedemeyer: Getgoods war nie wirklich lebendig. Was man dort gemacht hat, war nie echter Online-Handel. Dafür muss man sich nur die geringen Traffic-Werte von Getgoods bei Google Analytics anschauen.

Cyberport haben wir in diesem Gespräch schon mehrmals erwähnt. Wie stufen Sie die Entwicklung bei dem Unternehmen ein?

Wedemeyer: Die Neubetrachtung des Store-Konzepts, die bei Cyberport derzeit stattfindet, finde ich sehr interessant. Ich bin gespannt, was hier die neue Strategie sein wird. Schließlich hat Cyberport aufgrund seiner Stores aktuell mit einem sehr hohen Fixkosten-Block zu kämpfen…

"Den Beratungsklau gibt es auch im Netz"

Geht es um den Wettbewerb, vergisst man oft Amazon? Wie groß stufen Sie den Stellenwert von Amazon im ITK-Online-Handel ein?

Wedemeyer: Die Alleinstellung von Amazon und wie Amazon es schafft, diese zu den Kunden zu transportieren, sehe ich als Hauptherausforderung für alle anderen Online-Händler. Amazon ist in vielen Elektroniksortimenten extrem stark und macht einen fantastischen Job für die Endkunden. Wer sich im Netz als Warenverteiler positioniert, muss sich an Amazon messen lassen. Die Alternative ist es, sich zu fragen: Was kann ich bieten, das Amazon nicht kann? Denn Amazon punktet bei den Kunden ja nicht mit einer auf Hochglanz gestylten Webseite, sondern vor allem mit Inhalten und Mehrwerten.

Würden Sie sich auch als "Online-Warenverteiler" bezeichnen?

Wedemeyer: Nein, Notebooksbilliger hat sich inzwischen in vielen Bereichen als Infoportal positioniert. Es gibt Kunden, die sich bei uns informieren und dann mit den Ausdrucken in den stationären Handel gehen.

Den "Beratungsklau" gibt es also auch andersherum?

Wedemeyer: Auf jeden Fall, den Beratungsklau gibt es auch im Netz. Die Mehrheit der Beratung läuft heute nun einmal online. Es gibt auch viele stationäre Händler, die ihre Onlineshops mit unserem Content füttern. Nur jammern wir nicht darüber. Schließlich ist es purer Selbstzweck, dass wir unsere Seite so attraktiv machen wie möglich. Indem wir ein Produkt pushen, erzeugen wir insgesamt eine größere Nachfrage. Und da können wir damit leben, wenn einige Leute auch einmal woanders kaufen.