Von Bettina Dobe
Über 35 Jahre alt? Damit gehört man in der IT doch schon zum alten Eisen. Denn, so nur eines der Vorurteile gegenüber reiferen ITlern, sie seien zu unflexibel und kämen mit Neuerungen nicht mehr mit. Jeder vierte ITler mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung erfährt diese Altersdiskriminierung am eigenen Leib. Dabei sind die Vorurteile vollkommener Blödsinn, wie eine US-Studie beweist. Vor allem bei der Software-Entwicklung haben ältere Semester die Nase vorn.
Programmier-Veteranen haben Vorteile
Gerade im Software-Bereich werden Entwickler mit einigen Semestern mehr auf dem Buckel oft nicht ernst genommen. Diesem Vorurteil wollten die Forscher an der North Carolina State University auf den Grund gehen: "Wir wollten herausfinden, ob ältere Programmierer mit den Neuerungen in diesem Bereich Schritt halten können", erklärt Studienleiter Dr. Emerson Murphy-Hill. "Wir haben herausgefunden, dass Programmierveteranen in einigen Fällen sogar einen leichten Vorteil haben."
Dieses Ergebnis dürfte nicht überraschen: Schließlich haben schon mehrere Studien bewiesen, dass ältere Mitarbeiter mindestens genauso lernbereit sind wie jüngere. Im Gegenteil, ältere Angestellte sind flexibler und Neuerungen mehr aufgeschlossen als jüngere. Trotzdem halten sich die Vorurteile hartnäckig.
Auf der Programmier-Seite StackOverflow.com, auf der Programmierer Fragen und Antworten zu Software-Problemen erörtern können, wurden ältere Programmierer für ihre Fragen und Antworten viel besser bewertet als jüngere Teilnehmer. Die Forscher fanden heraus, dass die Programmier-Reputation bis in die 40er Jahre stetig zunahm. Für die Wissenschaftler war nicht der 35. Geburtstag die magische Grenze, sondern die 37. Um auch tatsächlich herauszufinden, ob Programmierer mit neuen Technologie-Standards mithalten können, sahen sich die Forscher nur Fragen über Technologien an, die erst seit weniger als zehn Jahren auf dem Markt sind.
Besser oder gleich gut
Das Ergebnis: Bei iOS und Windows Phone 7 schnitten die über-37-Jährigen deutlich besser ab. Sie konnten bei StackOverflow deutlich mehr Fragen beantworten als ihre jüngeren Gegenstücke und wurden deutlich besser bewertet. Bei jeder anderen Technologie, von Django bis Silverlight, konnten die Forscher keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Altersgruppen entdecken. Das heißt, dass Jüngere nicht besser abschnitten. Dabei müssten sie doch eigentlich die Älteren deutlich überholen.
Auf Wiedersehen, Vorurteile
"Die Daten unterstützen die Vorurteile gegenüber älteren Programmierer nicht - wenn überhaupt, dann beweisen sie höchstens das Gegenteil", sagt Murphy-Hill. Diese Erfahrungen machen ältere Programmierer selbst im Alltag. Denn die Programmierveteranen haben einen entscheidenden Vorteil: Sie haben Erfahrung.
Ältere ITler berichten, dass ihre Erfahrung ihnen einen wertvollen Wissensvorsprung bietet. Sie seien geübt im Erkennen von Mustern, eine Fähigkeit, die erst mit der Zeit käme, berichtet ein ITler auf Spiegel-Online. Sie machten nicht die gleichen Fehler noch einmal, während jüngere Kollegen die Fehler erst selbst machen müssten. Erfahrung, so der Tenor, kann man nicht lernen, die kommt von allein mit dem Alter.
Arroganz der Jungen
Ältere ITler berichten oft, dass Jüngere mit einer gewissen Arroganz an die Sache herangingen. Das führt aber zu Problemen, denn gerade in der IT ist Weiterbildung alles. Schließlich hat IT-Wissen eine Halbwertszeit von ein bis zwei Jahren. Egal, ob alt oder jung: Jeder Programmierer muss sich also ständig weiterbilden, wenn er den Anschluss nicht verlieren will. Da dürfen auch Firmen nicht den Anschluss verlieren, vernachlässigen sie doch häufig die Weiterbildung ihrer älteren Mitarbeiter. Wer mit einer "Ich kann schon alles"- Attitude in den Job geht, kann nicht mithalten. Da mache das Alter keinen Unterschied in der Kompetenz, berichten Programmierveteranen.
Ältere Führungskräfte selbst bevorzugen bei der Einstellung ältere Mitarbeiter: Sie wissen deren Fähigkeiten einfach zu schätzen. Aber diese Erfahrung hat auch seinen Preis. Ein Problem mit Älteren bleibt die Bezahlung. Natürlich kosten sie mehr als Berufseinsteiger. Aber vielleicht ist genau das höhere Gehalt momentan das Problem: Unternehmen wollen nicht mehr investieren. Wie eine Studie ergab, sind den Firmen die Gehaltsvorstellungen der Generation X, wie die heute 40 bis 50-Jährigen heißen, einfach zu hoch. Noch wollen einige Unternehmen sparen - dass aber mit den älteren Kollegen auch ein wertvoller Wissensschatz verloren geht oder gar nicht erst in die Firma wandert, bedenken sie oft nicht.
Nachwuchsmangel
Das Problem wird sich aber wohl demnächst von allein lösen. Schon jetzt fehlt Nachwuchs. Firmen werden es sich nicht leisten können, ältere und erfahrene Programmierer nicht mehr zu akzeptieren. Unternehmen sollten sich mehr auf die Förderung der eigenen IT konzentrieren und versuchen, von den Erfahrungen der älteren Programmierer zu profitieren. Auch sie müssen weitergebildet werden, nicht nur die Jüngeren. Dann spielt das Alter nämlich überhaupt keine Rolle mehr. (bw)
Dieser Artikel stammt von der ChannelPartner-Schwesterpublikation CIO.