Vor rund 18 Monaten hatte Acer angekündigt, mit den Altos-Servern wieder durchzustarten und die High Performance Server ausbauen zu wollen. Dann wurde es sehr still um diese Pläne. Was haben Sie mit der Server-Sparte vor?
Stefan Tiefenthal: Wir werden hier nur noch SMB-Server anbieten. Wir richten unsere Strategie ganz auf die Clients aus. Das heißt, wir werden zwar die Nachfrage nach Ein-Wege-Servern im KMU-Bereich bedienen, uns aber definitiv nicht mehr als klassischer Server-Hersteller positionieren. Acer hat erkannt, dass es besser ist, sich auf die Kernkompetenzen zu konzentrieren - und das ist bei Acer nun einmal das Client-Geschäft. Im Consumer-Bereich hält Acer hier in allen Produktsegmenten die größten Marktanteile. Das gilt es jetzt auf den SMB-Bereich zu übertragen - wenn auch nicht mit dem Anspruch, in allen Segmenten gleich Marktführer zu werden. Dazu starten wir von einer zu kleinen Basis aus. Aber der Arbeitsplatz des Anwenders - also die Themen Clients, ByoD, Client-Management und Cloud - wird künftig ganz klar im Vordergrund stehen.
Was passiert mit den rund 30 Solution-Partnern, die bislang Acer-Altos- und andere Midrange- und HPC-Server verkauft haben?
Tiefenthal: Die HPC-Partnerschaften sind sehr überschaubar. Alle relevanten Partner sind informiert ebenso wie unser Distributor alphatext in diesem Bereich. Es wird sich hier nichts dramatisch verändern, denn auch schon in den vergangenen Jahren drehte sich das Geschäft hauptsächlich um die SMB-Server.
Verglichen mit den Wettbewerbern ist Acer auch in Deutschland im SMB-Server-Segment kaum zu spüren. Das legen nicht nur die IDC-Zahlen nahe, sondern auch Statistiken von IT Scope, die Aufschluss geben über Einkaufsverhalten und Interesse der Vertriebspartner. Auch hier dominieren HP, IBM, Fujitsu und Lenovo. Wie positioniert sich Acer im Mittelstand in Deutschland?
Tiefenthal: Wir werden uns im SMB-Server-Segment nicht positionieren. Unser Fokus wird auf dem Hardware-Client-Geschäft liegen - für alle Modelle. Und mit Blick auf Dell beispielsweise sind wir in einzelnen Segmenten Mitbewerber, wir verfolgen jedoch eine andere Strategie. So hosten wir keine Rechenzentren und wir werden das auch künftig nicht tun. Wir werden dafür entsprechende Applikationen bereitstellen und darüber hinaus jede Client-Anforderung bedienen. Obendrein gibt es viele Wettbewerber, die sich aus einzelnen Segmenten, die wir strategisch besetzen, verabschieden.
Zudem werden wir das Business Development wieder neu aufsetzen. Ende 2014 werden wir damit starten, um Add Ons und Lösungsthemen zu adressieren - gemeinsam mit Technologiepartnern. Mit Cisco und Netapp beispielsweise führen wir derzeit Gespräche. Auch dann werden wir uns jedoch immer auf den Hardware-Teil fokussieren.
Die Cloud-Pläne von Acer
Das heißt: auch konvergente Infrastrukturen à la Flexpods oder Vspex sind für Sie kein Thema?
Tiefenthal: Nein, definitiv nicht.
Lösungen für das Rechenzentrum stehen damit ebenfalls nicht auf der Agenda?
Tiefenthal: Nein. Wir betreiben zwar Rechenzentren und werden im zweiten Halbjahr zum Thema Acer Cloud einiges ankündigen. In Taiwan beispielsweise hostet Acer im eigenen Rechenzentrum unternehmenskritische Anwendungen für sehr große Kunden, unter anderem für Google. Auf jedem Acer-Device ist deshalb heute schon die Acer Cloud-App vorinstalliert.
Wozu dient diese App ganz konkret?
Tiefenthal: Mit Hilfe der Acer Cloud können Sie jede Art von Device steuern, verwalten und sichern - Hersteller- und Betriebssystem-übergreifend. Sie stellt somit eine komplette Mobile Device Management Suite zur Verfügung. Die Nutzung der App ist kostenlos. Anwender können beispielsweise über die Acer Cloud von ihrem Smartphone aus virtuell auf ihrem Arbeitsplatzrechner arbeiten. Aktuell nutzen bereits eine Million Kunden die Acer Cloud. Diese App gibt es bereits seit rund zwei Jahren, sie wurde aber nie aktiv vermarktet. Dieses Thema werden wir im zweiten Halbjahr in den Vordergrund rücken. Denn gerade im KMU und SoHo-Bereich ist das ein hoch spannendes Thema.
Über die Acer Cloud können Anwender heute schon Daten, Dokumente und Multimedia-Inhalte austauschen. Planen Sie, dieses bislang "Build your Own Cloud" genanntes Angebot zu einer Art Dropbox-Alternative für Geschäftskunden auszubauen?
Tiefenthal: Das wird definitiv kommen und wir werden diese Lösungen mit Partnern entwickeln. Wir haben in Asien vor einigen Jahren ein kleines aber feines Cloud-Unternehmen - iGware - zugekauft. Dann lag das Thema im Grunde zwei Jahre auf Eis und wurde jetzt wieder reaktiviert. Mitte des Jahres werden wir dazu Konkretes kommunizieren.
Plant Acer, hierzulande ein Rechenzentrum für das Hosting dieser Dienste aufzubauen oder wollen Sie eher das Data Center eines Dienstleisters nutzen?
Tiefenthal: Wir werden die zweite Variante wählen. Für 2014 ist das aber noch kein Thema, eher für 2015. Unser Fokus für das laufende Jahr liegt ganz klar auf dem Thema Hardware.
Mobile Endgeräte bilden zwar einen wichtigen, aber gleichzeitig nur ein vergleichsweise kleinen Ausschnitt an Lösungen, die Unternehmen für ihren IT-Betrieb und ihre Geschäftsprozesse benötigen. Einige Wettbewerber bieten neben den Devices auch Produkte für alle anderen Rechenzentrumsthemen - auch Software-seitig…
Tiefenthal: Wir bekennen uns zu einer reinen Hardware-Strategie und lösen das Schnittstellenthema rund um den Client. Wir vermitteln unseren Partnern auch sehr deutlich, von welchen Vorteilen sie profitieren, wenn sie das Client-Thema mit uns angehen. Darauf fokussieren wir uns. Würden wir selbst Cluster für Lösungsszenarien aufbauen, träten wir an irgendeiner Stelle in Konkurrenz zu unseren Systemhauspartnern. Das ist nicht unsere Geschäftsstrategie, das werden wir nicht tun.
Wie will sich Acer als Spezialanbieter beispielsweise gegenüber einer Dell oder HP konkret positionieren?
Tiefenthal: Ein wesentliches Unterscheidungskriterium ist das Gesamtportfolio von Acer. Um es an einem konkreten Fall zu veranschaulichen: In einer Ausschreibung suchte kürzlich ein sehr großes Unternehmen einen Lieferanten, der für ihn weltweit das Device-Management - für Smartphones und Tablets - übernehmen und beides weltweit liefern kann. Dieses Szenario können aktuell nur zwei Anbieter bedienen. Anforderungen dieser Art, die Hardware-getrieben sind, sind eine Domäne von Acer. Das fängt beispielsweise damit an, dass fast alle Acer-Smartphones schon lange Dual-SIM-fähig sind. Das differenziert uns von den Dells und HPs dieser Welt. Denn unsere Portfolio-Strategie lautet: In jedwedem Client-Bereich der gesetzte Anbieter zu sein, betriebssystem-unabhängig. Betrachtet man die Wachstumszahlen für Clients, dann ist dieses Geschäft, wenn man es vernünftig angeht, ein sehr interessantes.
Sie gehen also davon aus, dass sich mit reiner Hardware auch künftig Geld verdienen lässt?
Tiefenthal: Ich bin seit über 25 Jahren im Hardware-Geschäft aktiv - mittlerweile gilt das fast als "Schmuddelgeschäft".
… weil viele bezweifeln, dass es sich langfristig lohnt
Tiefenthal: Das ist aber völliger Unsinn. Ein Hersteller, der an der Hardware nichts mehr verdient, würde die Produktion einstellen. Die Frage ist: Zu welchem Preis lässt sich welches Thema bedienen. Es gibt Märkte mit gigantischen Wachstumsraten zum Beispiel im Smartphone-Bereich, gerade in den aufstrebenden Ländern: Afrika beispielsweise ist ein solcher Markt, Indien ebenso. Worauf es ankommt ist, für die jeweiligen Märkte den richtigen Preispunkt zu treffen und das passende Design und die entsprechende Qualität vorzuhalten. Dann können Sie auch mit einem Einsteiger-Smartphone Geld verdienen.
Acer hat jetzt das Produktmanagement für Consumer- und Business-Produkte in einer Einheit gebündelt. Wonach unterscheiden Sie, welche Produkte in den Consumer- und welche in den Business-Kanal gehen sollen?
Tiefenthal: Wir haben auf den Markt reagiert, weil Unternehmen heute nach anderen Kriterien entscheiden. Die Vielfalt der Formfaktoren und deren Einsatzmöglichkeiten fordern eine Anpassung. Die kommerzielle und private Nutzung verschmelzen zum Teil immer stärker. Da macht es keinen Sinn, produktseitig eine strenge Trennung zwischen Consumer und Commercial aufrecht zu halten. Deshalb sind die Consumer-Geräte jetzt über die Distribution erhältlich. Das betrifft fast alle Produktserien, wir werden den Partnern natürlich die Gerätekonfigurationen anbieten, mit denen sie bei ihren Kunden punkten können.
Etailer, Retailer, ISVs und MSPs
Inwiefern berücksichtigen Sie bei der Betreuung Ihrer Vertriebspartner auch deren unterschiedliche Geschäftsmodelle und unterscheiden also zwischen ISVs, MSPs, Systemhäusern und Resellern? Schließlich hat sich Acer in den vergangenen Jahren vor allem auf Etailer und Retailer konzentriert.
Tiefenthal: Ja, der Fokus lag eindeutig auf dem Retail, weil diese Märkte sehr stark gewachsen sind. Und es gab einen weiteren starken Fokus darauf, bei Großkunden sehr aktiv Projekt-Leads für die Partner zu generieren. Die Partner selbst wurden etwas allein gelassen. Hier vollziehen wir jetzt eine komplette Rolle rückwärts. Wir haben das Partnermanagement wieder etabliert, Partnerstufen reaktiviert.
In einem zweiten Schritt, voraussichtlich noch dieses Jahr, werden wir die Partnerstruktur weiter differenzieren, exakt so, wie Sie sie in Ihrer Frage beschrieben haben. Denn wenn wir uns ansehen, wie umfassend das Portfolio ist, das Acer beispielsweise im Bereich Education schon seit vielen Jahren bietet, dann ließe sich mit entsprechend spezialisierten Partnern in diesem Marktsegment noch viel mehr umsetzen. Hier gehören wir zu den Marktführern - mit deutlich Luft nach oben. Gleiches gilt für andere Marktsegmente.
Laut IDC liegt der Marktanteil von Chromebooks weltweit unter einem Prozent. Weshalb erwartet sich Acer hier dennoch ein signifikantes Geschäft?
Tiefenthal: Der Anteil von Chrome OS liegt in den USA mittlerweile bei deutlich über 10 Prozent - drei Jahre nach dem Start. Das ist ein gigantischer Erfolg. Zudem erweist sich Chrome OS als hoch spannendes B2B-Thema - damit hätte ich selbst nicht gerechnet. Im Business-Bereich geht es ja immer auch um die Management-Konsolen, mit denen Unternehmenskunden die Client-Plattformen verwalten können. An diesem Punkt wird auch für Google im B2B-Bereich der Partner interessant. Google arbeitet heute über ein Cloud-basiertes App-System mit VMware, Salesforce, Siebel und vielen weiteren Anbietern zusammen, die den Nerv der Cloud-Thematik treffen. Ich gehe davon aus, dass Google hier ab 2015 vertrieblich ein Riesensprung gelingen wird. Wir werden nicht den Fehler begehen, und dieses spannende Thema strategisch vernachlässigen.
Sie hatten auf dem Channel Kickoff erwähnt, Acer werde wieder einen Händlerbeirat einsetzen. Wann soll das passieren?
Tiefenthal: Noch im Laufe dieses Jahres werden wir den Partnerbeirat als wichtigen Impulsgeber für uns etabliert haben. Dabei legen wir viel Wert auf eine ausgewogene Zusammensetzung. Außerdem haben wir einen neuen Service-Beirat eingeführt, dem Fachhändler aus allen Partnerstufen angehören und von dem wir uns auch Anregungen und Feedback erwarten.