Deutschland als "Insel der Glückseligen"

Acer und Partner am Nürburgring

08.02.2012
Trotz klirrender Kälte waren 500 Partner zur zehnten Kick-off-Veranstaltung von Acer gekommen.
Die meisten der geladenen Gäste ließen sich von minus 16 Grad in der Eifel nicht abhalten, zum Nürburgring zu fahren.

Assoziativ war es eine eisige Steilvorlage. Denn nach "Acer on the Rocks" 2011 hieß es diesmal "Acer Rocks" am Nürburgring, wo im Sommer neben Autorennen auch so manche legendären Rockkonzerte stattfinden. Legendär war auch das erste Acer Kick-off im Hamburger Erotic Art Museum vor zehn Jahren.

Daran erinnerte der neue Deutschland-Chef Wilfried Thom und freute sich bei seiner Frage, wer damals dabei war, über so manchen erhobenen Finger unter den rund 500 Gästen im Publikum, von denen viele noch am Abend mitrockten. 80 Prozent Fachhändler zeigen für ihn, dass man - zumindest für die Partner - längst das Image als reine B2C-Marke abgestreift habe. Das beweist für den ebenfalls nach Nürburg angereisten Thom-Vorgänger Stefan Engel auch, dass Acer die Olympischen Spiele in London ausstatten werde, mit mehr als 14.000 Geräten, davon allein 700 Servern.

Seit 2002 in der Geschäftsleitung, hat Thom im September 2011 Engel als Deutschland-Chef abgelöst. Der wurde als neuer Vice President für das Professional Business in EMEA zu höheren Aufgaben berufen und ist seitdem fast immer auf Achse und nur noch selten in Ahrensburg, wo er weiter Quartier bezieht. Wie er bei seiner Präsentation nur verschämt andeutete, zeige seine Beförderung auch, dass man in Deutschland mit der strikten Trennung in B2C- und B2B-Kanal 2007 "offenbar vieles richtig gemacht" habe.

Gleichzeitig ist es jetzt auch Ausdruck einer Zielvorgabe aus Taiwan, wonach man in den nächsten zwei Jahren 35 Prozent des weltweiten Umsatzes im Professional-Bereich mache wolle. Thom und B2B-Chef Mirco Krebs wollen das Ganze, ausgehend von der guten Ausgangslage in Deutschland, noch toppen und haben die Ziellatte auf 40 Prozent gesetzt.

"Simply Plan" gegen "Simply Red"

Thom zitierte für seine Präsentation zusammen mit der TV-Moderatorin Aleksandra Bechtle die Namen verschiedener Rockgruppen und hielt unter dem Namen von "The Naked and the Famous" auch mit der Acer-Misere 2011 nicht hinterm Busch. Der allgemeine Markteinbruch und das Wegbrechen von Marktanteilen in EMEA, der spektakuläre CEO-Rücktritt im März, ein dreistelliger Millionenverlust wegen hoher Lagerabschriften und Restrukturierungskosten sowie 300 Stellenstreichungen in EMEA im zweiten Quartal 2011 sprechen für sich - ebenso der Abbau der Defizite gegen Jahresende und Erfolgszahlen wie 95.000 Acer-Partnergeschäfte in 70 Ländern weltweit, 30 Millionen verkaufte Notebooks, 20 Millionen Monitore und 9,7 Millionen Desktop-PCs.

Im Foyer unter Europas größter LED-Bildwand waren Produkt- und Partnerausstellung sowie - partygemäß - Imbissbuden aufgestellt.

"In Extremo 2011" galt für die Marktanteile, wonach Acer zwar bei PC-Systemen auf Platz vier zurückgefallen ist, bei Notebooks aber weiter die Nummer zwei weltweit ist, in Deutschland sogar immer noch die Nummer eins. So zumindest die Zahlen bis Q3/11, denn die fürs vierte Quartal stehen noch aus. Weltweit wie in Europa und Deutschland habe sich Acer zum Ziel gesetzt, im Tablet- und Ultrabook-Bereich Gas zu geben und mit Letzteren Marktführer zu werden, so Thom. Was den lange von Acer dominierten und stark rückläufigen Netbook-Markt betrifft, sei der eigentliche Angriff nicht von iPad & Co. ausgegangen, sondern vielmehr von ausgewachsenen Notebooks im Billigsegment von teils 299 Euro. In Deutschland, das die Krise gut gemeistert habe und das er im europäischen Kontext bei mobilen Rechnern geradezu als "Insel der Glückseligen" beschreibt, seien bei Netbooks zwar zweistellige Umsatzeinbrüche zu verzeichnen gewesen, insgesamt sei der Notebook-Absatz im B2B-Segment aber 2011 um 18 Prozent, im B2C-Kanal immerhin noch um 7 Prozent angestiegen. Damit zitiert Thom GfK-Zahlen, die, anders als die von Gartner, IDC und Context, den Sell-out und nicht nur die Lieferungen ab Distribution aufzeigen.

Entgegen früherer Aussagen aus Taiwan sieht Acer Auswirkungen aus der Flutkatastrophe in Thailand, vor allem was die Verfügbarkeit von Festplatten angeht, aber im März soll sich die Situation weitgehend wieder normalisieren, so Thom. Die Euro-Krise setzt sich seiner Einschätzung nach fort, was in einem erstarkten Dollar resultiere, aber auch in stabilen Preisen. Während Microsoft mit Windows an Mac OS und Android in den vergangenen zwei Jahren Marktanteile verloren habe, sei damit zu rechnen, dass sich das mit Windows 8 auf entsprechenden Tablets und Ultrabooks ab der zweiten Jahreshälfte umkehre.

We don’t need no...

An der Multi-Brand-Strategie hält Acer fest, obwohl Gateway als Marke mittlerweile vom europäischen Markt verschwunden ist. Server laufen seit fast einem Jahr wieder unter der Marke Acer, der US-Brand eMachines, ursprünglich als Billigmarke eingeführt, wird in Europa nur noch projektweise herangezogen. Die Partnerprogramme von Acer und Packard Bell wurden unter dem Namen Synergy Partner zusammengeführt, und neu ist die HPC-Partnerstufe, berichtete Engel. Dabei verwies er auf die hohe Erfolgsquote von zuletzt teils über 40 Prozent bei der Projektarbeit, die er mit den Partnern auch länderüberspannend forcieren will.

Deutschland-Chef Wilfried Thom und TV-Moderatorin Aleksandra Bechtle waren auch abends ein gutes Gespann.

Dazu wird es deutschen Kunden ermöglicht, länderspezifische Ware über einen Partner direkt im jeweiligen Markt, etwa in Russland, zu kaufen. Daher sein Credo: "Wir können gemeinsam auch international." Während Deutschland für ihn "die geringste, ja gar keine Baustelle ist", sieht er hier doch eine. Denn bei Ausstattung von K12-Schulen mit mobilen PCs rangiert sie hinter den meisten europäischen Ländern, sogar weit hinter Portugal und Uruguay, die sie mit einem oder zwei großen Shots international an die Spitze gesetzt haben.

Die doppelte Verneinung in "Brick on the Wall" von Pink Floyd lasse sich auch als Aufruf deuten, wie sehr Education not tut. In Deutschland behindere das föderalistische System mit rund 7.000 Schulträgern Erfolge, für Hersteller und Fachhändler sei das aber auch eine Riesenchance, weil man so viele Träger gar nicht auf einmal abgrasen könne, merkt Thom an. Um hier Gas zu geben, wird Acer als Gründungsmitglied des Bündnisses für Bildung unter anderem auf Deutschland größter Fachmesse Didacta in Hannover ausstellen und fortfahren, proaktiv Demoschulen wie die in München Berlin mit IT auszustatten, erklärt Krebs.

Sein Lob geht an die Teamkollegen. Bei Projekten achte man auf die strenge Einhaltung von Qualitätskriterien, und habe man deshalb auch schon welche abgelehnt. Wohl betonend, dass Acer zu 100 Prozent beim indirekten Vertrieb bleibe, verweist Krebs auf die positive Resonanz darauf, auch direkt zu gewerblichen Endkunden zu gehen und mit ihnen zu sprechen. 2011 habe Acer außerdem begonnen, über eine Agentur Leads zu generieren und zuzukaufen. Dies entsprach auch dem Wunsch des Händlerbeirats, der zudem die Empfehlung ausgesprochen hat, die Leads kostenpflichtig zu machen, damit sie nicht nutzlos verpuffen. Mit 29 Euro pro Lead sei Acer aber deutlich unter der vom Beirat anvisierten Marke von 79 Euro zurückgeblieben, betont Thom.

Wer sich vom Münchener Promi-Coach Michael Rossié noch nicht zum Rockstar machen ließ, hatte abends noch Gelegenheit dazu.

Für viel Gelächter sorgte der Münchener Schauspieler und Promi-Coach Michael Rossié, der mit Beispielen aus dem Beziehungsleben und dem Aufruf "Werden Sie, wie Sie sind! Ein Rockstar" den Händlern nahelegte, sich nicht in der Servilität dem Kunden gegenüber zu verbiegen. Vielmehr solle man ihm auf Augenhöhe begegnen oder besser noch zum Kaiser werden, wo der Kunde König ist.

Auf der nächsten Seite: Interview mit Mirco Krebs, B2B-Chef von Acer Deutschland

"Volkswirtschaft wird in den Köpfen gemacht"

Micro Krebs ist B2B-Chef in Deutschland und Head of VAR/Corp. Business EMEA bei Acer.

Mirco Krebs verantwortet das B2B-Geschäft von Acer in der EMEA-Region. Gegenüber ChannelPartner macht er sich über Projektgeschäfte angesichts möglicher Krisenzeiten Gedanken.

Ein B2B-Anteil von 40 Prozent in zwei Jahren ist ganz ordentlich. Wo sind Sie jetzt, und warum ist Acer Deutschland im Projektgeschäft schon weiter als andere Landesniederlassungen?

Mirco Krebs: Wir sind jetzt schon bei über 30 Prozent B2B-Anteil in Deutschland und deshalb weiter, weil wir es anders als bei den europäischen Nachbarn kontinuierlich verfolgt haben. 2007 haben wir in Deutschland die Bereiche Professional und Consumer getrennt, und es gibt seitdem ein Team mit Fokus auf B2C und eines mit Fokus auf B2B.

Es heißt, Deutschland habe die Krise am besten gemeistert. Aber wenn die Mahner recht behalten, droht 2012 die kalte Dusche. Fürchten Sie um Projektgeschäfte?

Krebs: Volkswirtschaft wird in den Köpfen der Leute gemacht. Ich glaube persönlich nicht, dass die deutsche Wirtschaft im neuen Jahr leiden wird. Viele Unternehmen haben erst nach Jahresabschluss realisiert, wie gut es ihnen 2011 ging. Die Auftragsbücher sind voll, Projekte laufen weiter. Investitionen in die Projektdatenbank und Lead-Generierung zahlen sich für uns und unsere Partner mehr und mehr aus. Unserer Einschätzung nach wird es in Deutschland dieses Jahr so weitergehen wie im letzten.

Education ist bei Ihnen sehr stark im Fokus. Zunächst haben Sie aber viel investiert. Zahlt sich das schon aus, etwa auch in der Form, dass Sie darüber an noch lukrativere Projekte herankommen?

Krebs: Wir sind immer noch in der Investitionsphase, aber Sie haben ja gesehen, wie klein derzeit noch der deutsche Education-Markt ist, gemessen am riesigen Potenzial und an anderen Ländern. Deutschland wird nicht umhinkönnen, mehr IT in die Schulklassen zu bringen. Acer hat bereits sehr viel Erfahrung und Know-how im Bildungsbereich, das ist gleichzeitig auch eine sehr gute Referenz für den gesamten B2B-Bereich. (kh)