Fehlende Facebook-Impressen

Abmahn-Systemhaus bekommt Gegenwind

29.08.2012 von Armin Weiler
Ob die Geschäftsführer der Binary Services GmbH wohl darauf vorbereitet waren, welcher Sturm ihnen nach den zahlreichen Abmahnungen, die sie an vermeintliche Konkurrenten geschickt haben, entgegen bläst? Vermutlich nicht.
Laut Anwaltsauskunft.de ist Abmahn-Anwalt Hans-Werner Kallert auf Verkehrs- und Sozialrecht spezialisiert.

Ob die Geschäftsführer der Binary Services GmbH wohl darauf vorbereitet waren, welcher Sturm ihnen nach den zahlreichen Abmahnungen, die sie an vermeintliche Konkurrenten wegen fehlenden Facebook-Impressen geschickt haben, entgegen bläst? Vermutlich nicht. Insbesondere Rechtsanwalt Hans-Werner Kallert, laut Anwaltsauskunft.de spezialisiert auf Verkehrs- und Sozialrecht, muss sich nun mit den zahlreichen Abmahnopfern auseinandersetzen, die nicht bereit sind, klein bei zu geben: "Ich habe den Eindruck, als ob Rechtsanwalt Kallert nicht verstanden hat, welche rechtlichen Auswirkungen die hohe Zahl von Abmahnungen auf deren Zulässigkeit hat", erklärt Niklas Plutte, Rechtanwalt der auf IT-Recht und Medienrecht spezialisierten Kanzlei RES Media.

Plutte bestätigt, dass die Binary Services GmbH an die von ihm vertretenen Mandaten herangetreten ist. Man sei unter Umständen bereit, auf die Unterlassungs- und Zahlungsansprüche zu verzichten. Dafür sollen die Abgemahnten aber eine eidesstattliche Versicherung unterzeichen, nach der versichert würde, dass "wenigstens einen Tag vor dem Tag, an dem das Abmahnschreiben der Kanzlei HWK gefertigt wurde, auf der in der Abmahnung genannten Facebook-Seite bereits ein den Anforderungen des § 5 TMG entsprechendes Impressum vorhanden war". Plutte warnt eindringlich davor, diese Erklärung zu unterschreiben: "Ich kann die Unterzeichnung nicht empfehlen. In der vorgegebenen eidesstattlichen Versicherung werden Dinge vorausgesetzt, die die Abgemahnten gar nicht wissen können", betont der Rechtanwalt. Er weist darauf hin, dass sich die Betroffen dadurch unter Umständen sogar strafbar machen können. Damit werde versucht, die bisher zivilrechtliche Auseinandersetzung auf eine strafrechtliche Ebene zu verlagern.

Für Plutte zeigt dieses Angebot vielmehr, dass es der Gegenseite mit der versandten Abmahnung gar nicht ernst ist. "Gerade das Angebot der Gegenseite, auf die Unterlassungs- und Zahlungsansprüche zu verzichten, ist ein klares Indiz für die Rechtmissbräuchlichkeit der Abmahnungen, und damit aus meiner Sicht auch ein versuchter gewerbsmäßiger Betrug", konstatiert der Rechtsexperte.

Die fortlaufenden Nummern im Hexidezimal-Code des Portoaufdrucks könnten ein Indiz dafür sein, wie viele Abmahnungen verschickt worden sind.

In seinem Blog auf www.ra-plutte.de sammelt Niklas Plutte die Abmahnschreiben, auch von Betroffenen, die nicht zu seinen Mandanten zählen. Die Schreiben sind alle durch Internetmarken der Post AG frankiert. Die fortlaufenden Nummern im Hexidezimalen System könnten ein Indiz dafür sein, wie viele Abmahnungen Kallert tatsächlich verschickt hat. Pluttes Liste umfasst mittlerweile 85 Schreiben. Die höchste fortlaufende Nummer beträgt 1.120. Es könnten also über tausend Abmahnungen verschickt worden sein. "Ein Beweis ist das aber nicht", räumt Plutte ein. Daher sei es umso wichtiger für das weitere Vorgehen, dass die Liste weiter komplettiert wird, um sie "wasserdicht" zu machen. Er appelliert deshalb an weitere Betroffene oder deren Anwälte, ihm die entsprechenden Daten zur Verfügung zu stellen.

Sollten tatsächlich Abmahnungen in dieser großen Zahl verschickt worden sein, bedeutet dies für Binary Services ein erhebliches Prozesskostenrisiko. Dies könnte schnell die finanziellen Möglichkeiten des Regenstaufer Systemhauses übersteigen, ein Aspekt, den die Betroffenen bei einer rechtlichen Auseinandersetzung berücksichtigen sollten.

Lesen Sie auf der folgenden Seite, welche Handlungsempfehlungen Rechtsanwalt Niklas Plutte gibt.

Negative Feststellungsklagen und Sammelanzeigen

Die IT-Recht Kanzlei in München will nicht auf der Homepage der Binary Services GmbH genannt werden.

Rechtlich sieht Anwalt Plutte verschiedene Vorgehensmöglichkeiten. Mit einer "negativen Feststellungsklage" könnte nachgewiesen werden, dass Binary Services nicht befugt war, die fehlenden Impressen auf Facebook abzumahnen. Plutte schätzt diese Chance als "hoch" ein. In diesem Falle müsste der Abmahnende sämtliche Kosten tragen. Allerdings könnten die Kläger im Falle einer Zahlungsunfähigkeit auf ihren Kosten sitzen bleiben.

Ähnlich verhält es sich bei der Rückforderung der eigenen Anwaltskosten. Eine Möglichkeit der Risikoreduzierung besteht allerdings in einer Abtretung und gesammelten Geltendmachung mehrerer Ersatzansprüche in einer einzigen Klage. Diesen Weg beschreitet Rechtsanwalt Johannes von Rüden mit Hilfe seines Mandanten Armin Brunner (ChannelPartner berichtete). Allerdings wird die Klageschrift heute geschlossen. Trotzdem könnten weitere Opfer diesen Weg beschreiten.

Zudem weist Plutte auf die Möglichkeit hin, gegen Binary Services und Rechtsanwalt Kallert Strafanzeige wegen versuchtem gewerbsmäßigen Betrugs zu stellen. Eine Strafanzeige ist für die Betroffenen bei persönlicher Erstattung kostenfrei, sie muss nicht über einen Anwalt erfolgen. Die Staatsanwaltschaft übernimmt dann die Ermittlungen. Bei Bedarf wäre Plutte aber auch bereit, eine Sammelstrafanzeige zu erstatten. Dafür müssen allerdings genug Interessenten zusammen kommen, damit Plutte die Sammelanzeige für die Betroffenen kostengünstig anbieten kann.

Auch für Betroffene, die die Unterlassungserklärung bereits unterzeichnet und den geforderten Betrag von 265,70 Euro bezahlt haben, hat Plutte einen Rat: Sie sollten die Erklärung wegen arglistiger Täuschung anfechten und die bezahlten Beträge von den Abmahnern unter Fristsetzung zurück fordern.

Mittlerweile hat sich auch die Münchener Kanzlei IT-Recht von der Binary Services GmbH distanziert. Im Impressum des Systemhauses wird geltend gemacht, dass der Web-Auftritt von der IT-Recht Kanzlei geprüft worden sei. "Wir möchten hiermit klarstellen, dass unsere Kanzlei mit diesen Abmahnungen in keinerlei Verbindung steht und sich ausdrücklich hiervon distanziert", äußert sich der auf IT-Recht spezialisierte Rechtsanwalt Max-Lion Keller auf der Homepage der Kanzlei. Man habe die Binary Services GmbH bereits aufgefordert, den Namen aus dem Impressum ihrer Homepage zu entfernen. Da das Systemhaus dieser Aufforderung bisher nicht nachgekommen sei, "wird es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hinauslaufen", schreibt Keller. (awe)