Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Sommer 2012 den Handel mit "gebrauchten" Softwarelizenzen für prinzipiell zulässig erklärt und die ganze Angelegenheit zurück an den Bundesgerichtshof (BGHI) verwiesen hatte, fiel nun m 17. Juli 2013 eine weitere Entscheidung: Der BGH wies die Klage von Oracle gegen den Münchner Gebrauchtsoftwarehändler UsedSoft ab und reichte sie an das Oberlandesgericht (OLG) München zurück, wo der Rechtsstreit erneut aufgenommen wird.
Siehe auch: Was Anwender über gebrauchte Software wissen sollten (FAQ)
Derart gestärkt, sieht sich UsedSoft nun in der Lage, allen Interessenten an Gebrauchtsoftware einen Katalog zu präsentieren, im dem detailliert erklärt wird, was Käufer von Lizenzen aus zweiter Hand beachten müssen. Insgesamt sind das diese sieben Punkte:
1. Volumenlizenzen darf man aufspalten, Client-Server-Lizenzen nicht
Software aus Volumenprogrammen darf aufgespalten, das heißt einzeln weiterverkauft werden. Hierbei handelt es sich um eine bestimmte Menge an Einzellizenzen, die nur aus Marketing- und Vertriebsgründen im Paket verkauft werden. Eine Volumenlizenz besteht also zum Beispiel aus 100 einzelnen Lizenzen die im Paket verkauft werden, so dass man die Software auf 100 einzelnen PCs installieren darf. Hier kann man zum Beispiel auch 50 Stück weiterverkaufen.
Anders sieht es laut EuGH bei Client-Server-Lizenzen aus. Diese dürfen nicht aufgespalten werden. Hintergrund: Eine Client-Server-Lizenz wird auf einem Server abgelegt. Der Käufer erwirbt für diese eine Lizenz lediglich eine bestimmte Zahl an Zugriffsrechten. Da es sich dabei also um eine einzige Lizenz handelt, kann diese auch nicht aufgespalten werden.
2. Ordnungsgemäße Lizenzübertragung
Das A und O beim Kauf von gebrauchter Software ist die ordnungsgemäße Lizenzübertragung. Wer sich für den Kauf von gebrauchter Software entscheidet, sollte sich daher an etablierte Händler wenden. So können Software-Käufer sicher gehen, dass bei der Lizenzübertragung alles mit rechten Dingen zugeht. Zudem hat der EuGH verfügt, dass Software nur dann weiterverkauft werden darf, wenn der Verkäufer diese nicht weiternutzt. Ein probates Mittel, um dies sicherzustellen und nachzuweisen, ist ein Notartestat.
3. Nur Standard-Software kaufen
Im Prinzip darf zwar jede Art von Software gebraucht gehandelt werden. Kaufen sollte man aber nur Standard-Software, um auf Nummer Sicher zu gehen.
4. Nur Kaufsoftware darf übertragen werden
Der Handel mit Gebrauchtsoftware ist nur legal, wenn es sich um Software handelt, die "im Wege der Veräußerung in den Verkehr gebracht" (sprich: verkauft) wurde. Software aus Leasing- oder Mietverträgen darf also nicht gebraucht gehandelt werden.
5. Lieferfähigkeit des Händlers
Nur große Händler sind in der Lage, sofort und auch in größeren Stückzahlen zu liefern. Die meisten kleineren Anbieter sind hingegen lediglich Makler, die nur das verkaufen können, was andere Unternehmen verkaufen wollen. Da Händler aber stets ein großes Software-Lager mit mehreren tausend Lizenzen vorhalten, können sie ein weit größeres Angebot an Software-Arten und -Versionen anbieten.
6. Geeignete Version auswählen
Auf dem Gebrauchtsoftwaremarkt stehen sowohl aktuelle Versionen als auch ältere Programme in großem Umfang zur Verfügung. Wie das Beispiel Windows 7 zeigt, muss neu nicht unbedingt gleich besser sein. Die aktuellste Version einer Software verlangt zum einen Einarbeitungszeit und ist zum zweiten mit höheren Hardwareanforderungen verbunden. Eine ebenso bewährte wie vertraute Version ist dann eine echte Alternative. Da diese vom Hersteller aber oft nicht mehr angeboten wird, ist hier gebrauchte Software der einzige Weg. Allerdings bedeutet "gebraucht" keineswegs, dass es sich zwangsläufig um ältere Programme handeln muss. Große Gebrauchtsoftware-Anbieter bieten ebenso die Möglichkeit, auch beim Kauf aktueller Versionen die Kosten erheblich zu senken.
7. Inzahlungnahme
Beim Kauf von Software wird oft die Vorversion anschließend nicht mehr genutzt. Größere Händler nehmen diese beim Kauf von anderer Software in Zahlung. Auf diese Weise können Unternehmen gebundenes Kapital in liquide Mittel umwandeln und beim Kauf der "neuen" Software doppelt sparen.
Stellungnahme von Used Soft zum Handel mit Gebrauchtsoftware
Lange Zeit bewegten sich Unternehmen beim Kauf von gebrauchter Software in einer rechtlichen Grauzone. Im Grundsatz ist es zwar seit jeher legal, Software gebraucht zu verkaufen und zu kaufen. Doch die Gesetze hatten nicht mit der technischen Entwicklung Schritt gehalten.
Ein Beispiel: Als die entsprechende EU-Richtlinie im Jahr 1993 erlassen wurde, wurde Software noch auf Disketten verkauft. An den Vertrieb von Software via Download hat damals keiner gedacht. Diese Unklarheiten haben die Softwarehersteller lange Zeit missbraucht. Sie haben den Kunden allerlei Unsinn erzählt und so den Gebrauchthandel lange Jahre unterbunden. Bis am 3. Juli 2012 die obersten Richter der EU ein Machtwort sprachen.
Die EuGH-Richter entschieden, dass sich das Verbreitungsrecht eines Herstellers an seinem Produkt "erschöpft", wenn er es zum ersten Mal in Verkehr gebracht hat. Der EuGH sagte dazu: "Somit kann sich der Rechtsinhaber, selbst wenn der Lizenzvertrag eine spätere Veräußerung untersagt, dem Weiterverkauf dieser Kopie nicht mehr widersetzen." Der Käufer kann seine Software also frei weiterverkaufen.
Der EuGH entschied darüber hinaus, dass der Zweiterwerber auch bei online übertragenen Computer-Programmen die Software beim Hersteller erneut herunterladen darf: "Außerdem erstreckt sich die Erschöpfung des Verbreitungsrechts auf die Programmkopie in der vom Urheberrechtsinhaber verbesserten und aktualisierten Fassung", so der EuGH. Der Käufer profitiert demnach auch von Updates und anderen Aktualisierungen durch den Software-Hersteller.
Diese Entscheidung ist ein Meilenstein für den freien Handel in Europa. Der EuGH ermöglicht damit endlich einen freien und fairen Wettbewerb im Software-Handel. Denn im Gegensatz zu fast allen anderen Produkten nutzt sich Software nicht ab. Eine gebrauchte Lizenz hat für den Käufer den gleichen Wert wie eine neue - mit dem Unterschied, dass der Käufer sie zu wesentlich günstigeren Konditionen bezieht. Bis zu 30 Prozent und mehr Ersparnis sind möglich.
Sowohl aktuellste Versionen als auch ältere Programme stehen auf dem Gebrauchtmarkt in großem Umfang zur Verfügung. Die gebrauchten Lizenzen stammen aus Insolvenzen, aus Geschäftsaufgaben, aus Umstrukturierungsmaßnahmen oder aus Systemumstellungen.
Neben den Käufern gebrauchter Software können auch die Verkäufer von dem neuen Geschäftsmodell profitieren. Durch den Verkauf überschüssiger Lizenzen können Unternehmen gebundenes Kapital in liquide Mittel umwandeln. (rw)