Anfang Dezember 2014 erwarb die international agierende Logicalis-Gruppe das deutsche Systemhaus Inforsacom. Ende Juni 2016 entstand die Inforsacom Logicalis GmbH (ChannelPartner berichtete). Rüdiger Rath, CEO des neu formierten IT-Dienstleisters mit Hauptsitz in Neu-Isenburg, äußerte sich ChannelPartner gegenüber zu den Hintergründen dieser Transaktion und zu seinen Zukunftsplänen.
"Wir haben uns über ein Jahr Zeit genommen für den Zusammenschluss der Vorgängerunternehmen Inforsacom und Logicalis", so Rath. Und das war auch so gewollt: "Es galt, verschiedene Unternehmensstrukturen und -kulturen unter einen Hut zu bringen". Immerhin beschäftigt die so entstandene Logicalis-Group in Deutschland aktuell 250 Mitarbeiter, bis Ende 2016 könnten es sogar 300 sein.
Besonderen Wert legt Rath auf die Tatsache, dass die Akquisition ohne Entlassungen vor sich ging: "Natürlich gab es auch bei dieser Fusion Doppelbesetzungen aber die meisten dieser Mitarbeiter begleiten unsere Kunden nun in neuen Funktionen weiter - viel spannender ist es, dass wir bis Ende 2016 über 50 neue Mitarbeiter einstellen und auch für 2017 der Kurs auf Wachstum steht."
Warum war die Übernahme notwendig?
Wir haben Rüdiger Rath auch nach seinen Motiven für den Verkauf seines "Babys" gefragt. Immerhin entstand Inforsacom Anfang 2010 neu - durch das Management-Buyout aus der Mitte 2009 in die Insolvenz abgerutschten TDMI-Gruppe. Und so wurde der frühere Geschäftsführer Mitinhaber des wieder auferstandenen Systemhauses.
Rath wurde aber relativ rasch klar, dass Inforsacom organisch nicht mehr so schnell wachsen konnte, wie es der Markt erforderte "Wir hatten schon immer viele Kunden aus dem gehobenen Mittelstand mit internationaler Präsenz", erinnert sich der Logicalis-Deutschland-Chef. "Und diese Kunden verlangen einfach von dem sie betreuenden IT-Dienstleister, dass er auch in den ausländischen Niederlassungen bei ihnen vor Ort präsent ist".
Eine internationale Expansion erschien Rath aber als zu riskant. Deswegen kam ihm das Angebot der weltweit vertretenen Logicalis- Group gerade recht. "Im Data Center-Umfeld kann man nur mit der Kundengröße wachsen und weniger mit der Anzahl der Kunden." Mit Logicalis im Rücken sah sich Rath durchaus in der Lage, seine international agierenden Kunden aus dem gehobenen Mittelstand adäquat mit IT-Dienstleistungen zu versorgen.
Ein weiterer Grund, der für die Übernahme durch Logicalis sprach, war das hohe IT-Security-Know-how bei Logicalis "Mit der Power von Logicalis - über 4.000 Mitarbeiter weltweit - können wir nur nun auf das Wissen unserer Kollegen in der ganzen Welt zugreifen", so Rath. Erst kürzlich "bediente" sich die deutsche Mannschaft in einem Kundenprojekt eines Security-Fachmanns aus Irland.
Von der Integration der beiden Unternehmen profitieren laut Rath vor allem Kunden, die ein breiteres Leistungsportfolio von einem einzigen Anbieter erhalten möchten: "Gleichzeitig sind wir für die Unternehmen interessant, die auf der Suche nach einem Partner für internationale Fragestellungen sind", so der Systemhauschef. Er betrachtet die Logicalis-Group als einen Allrounder, der Information-Management-, Storage-, Backup-, Security-, Netzwerk- und Cloud-Kompetenzen vereinigt und dabei auch noch international präsent ist: "Das konnten die beide Vorgängerunternehmen in Deutschland ihren Kunden so nicht bieten".
Den endgültigen Ausschlag für die Entscheidung, Teil der Logicalis-Group zu werden, gab für Rath die Unternehmemspolitik der Gruppe. Denn die Logicalis-Länder-Chefs führen ihre Niederlassungen weitgehend eigenständig und haben volle Entscheidungsfreiheit, was Produktauswahl und Kundenbetreuung betrifft: "Das ist bei anderen international agierenden Systemintegratoren nicht immer so", weiß Rath aus seiner Erfahrung zu berichten.
Aufstieg in die Systemhaus-Bundesliga 2020
Aufgrund dieser positiven Ausgangsbasis hat Rüdiger Rath sich für die Logicalis-Group in Deutschland ehrgeizige Ziele gesetzt. Bis 2020 möchte er sein Unternehmen unter den zehn größten Systemhäusern Deutschlands sehen. Hierzu wäre nach dem heutigen Stand der Dinge ein Jahresumsatz von über einer Viertelmilliarde Euro nötig. Dies ist aber durchaus realistisch, wenn man bedenkt, dass die neu formierte Logicalis-Deutschland-Truppe 2015 kumuliert 185 Millionen Euro umgesetzt hat. Auf dem Weg dahin könnte es auch in Deutschland durchaus zu der einen oder anderen Akquisition kommen, "das ist nicht ausgeschlossen - aber nicht im Fokus", betont der Inforsacom Logicalis-Chef.
Was zeichnet aber dieses Systemhaus im Vergleich zu den Top Ten in Deutschland aus? Gibt es auch Bereiche, in denen es sich besser aufgestellt sieht als der Wettbewerb? Was sind die USPs (Unique Selling Points) von Logicalis? Auch darauf weiß Rath eloquent zu antworten:
"Die Top Ten bilden natürlich eine eigene Liga, aber genau da wollen wir ja hin. Es gibt einige neue Aspekte, die uns heute schon sehr attraktiv machen und andere aus der Vergangenheit, die wir gerne bewahren möchten. Da ist zum einen unsere traditionell hohe Entscheidungsgeschwindigkeit - denn wir leben flache Hierarchien mit viel Entscheidungsspielraum bei einzelnen Mitarbeitern. Zum anderen können wir nun tatsächlich weltweit Dienstleistungen aus einer Hand anbieten - damit tun sich einige Top Ten-Platzhirsche wirklich schwer. Das macht uns insbesondere für international agierende Kunden mit Sitz in Deutschland sehr interessant."
Security, Big Data, Cloud, IoT und Industrie 4.0
Ebenfalls im Jahre 2020 möchte Inforsacom Logicalis mindestens zehn Prozent der eigenen Umsätze mit Security-Dienstleistungen erzielen. Hierzu sollen natürlich die Ressourcen der Mutter entscheidend beitragen. Gemeinsam positioniert man sich im Markt als so genannter "Full Service Generalist", also als ein IT-Dienstleister, der - zumindest was IT-Infrastruktur betrifft - alles aus einer Hand anbieten kann.
Was neue Themen wie Big Data, Analytics, IoT (Internet of Things) oder Industrie 4.0 anbelangt, da fühlt sich Rath ebenfalls gut positioniert. Großes Potential prophezeit er Analytics-Projekten, wenn die riesigen im Industrie-Umfeld eingesammelten Daten in Echtzeit analysiert werden müssen. "Da könnte es zum Beispiel im Retail um Verbesserungen in der Logistik oder in der Warenbeschaffung gehen." Als einen weiteren Megatrend für die nächsten vier Jahre hat der Manager das Software-definierte Datacenter (SDDC): "Künftig wird ein Großteil der IT nur noch über die Software gesteuert (SDX)."
Großen Wert legt der Systemhauschef zum Schluss des Gesprächs mit ChannelPartner auf die XaaS-Thematik. Insbesondere PaaS (Platform as a Service) ist für Logicalis ein wichtiges Geschäftsfeld: "Viele ISVs und App-Entwickler können ihre Anwendungen nun ganz bequem und kostengünstig in der Cloud testen. Hierzu müssen sie nicht in eigene, teure IT-Infrastruktur investieren", so Rath. Das ist seiner Meinung nach eine attraktive Option, um den Kunden für den allmählichen Übergang in die Cloud basierte IT zu begeistern.
Meinung des Redakteurs
Logicalis‘ weitgehend dezentral aufgestellte Organisation macht durchaus Sinn. Denn ein Kunde aus Lateinamerika stellt ganz andere Anforderungen an seinen Dienstleister als ein Unternehmen in Mitteleuropa. Und die unterschiedlichen Mentalitäten in den einzelnen Ländern spiegeln sich auch im Vertriebsprozess wieder.
Das Wissen über diese Eigenheiten ist in den Niederlassungen zweifellos vorhanden und deswegen ist es klug von Logicalis, die Länderchefs "an langer Leine zu führen" und ihnen die größtmögliche Entscheidungsfreiheit zu belassen.
Denn Services sind im Gegensatz zu Produkten nur zu einem gewissen Teil standardisierbar, der Rest muss "kundenindividuell" bleiben. Insoweit tun international agierende Systemintegratoren gut daran, ihre Niederlassungen weitgehend autonom arbeiten zu lassen. Ein Hersteller kann das nicht tun.