Vor zehn Jahren hätten wir wahrscheinlich jeden für verrückt erklärt, der uns erzählte, dass es einmal eigene Gehwege für Smartphone-User gibt. Seit 2014 hat die chinesische Millionenstadt Chongqing einen solchen Weg. Hätten Sie geglaubt, dass Leute nachts vor einem Laden campen, nur um das neueste Telefon zu ergattern? Und Ihre Kinder telefonieren nicht mehr mit Ihnen, sondern erwarten den Kontakt per WhatsApp? Oder, dass Tipps zu hippen Apps heute ebenso zum Nachbarschafts-Schwätzchen gehören wie das Gemaule über das Wetter? Eines muss selbst der absolute Apple-Verächter zugeben: Das iPhone hat die Welt revolutioniert und wurde nicht zu Unrecht im November 2007 vom US-Nachrichtenmagazin Time zur Erfindung des Jahres gewählt.
Bye Bye Blackberry - CIOs schwärmen vom iPhone
Die Smartphone-Revolution - Apple-Chef Steve Jobs sprach von der Neuerfindung des Mobiltelefons - fand am 9. Januar 2007 wenige Tage nach der Consumer Eletronics Show (CES) auf der Macworld Conference & Expo in Las Vergas statt. Steve Jobs präsentierte ein Handy, das einfach zu bedienen war und eine funktionelle Benutzeroberfläche hatte, die ausschließlich per Touch bedient wurde. Das iPhone hatte nur eine physikalische Taste, während die Konkurrenz bei Blackberry und Windows Mobile versuchte komplette Minitastaturen zu verbauen. Viele sahen in dem ersten iPhone eine Mischung aus Mobiltelefon, Video-iPod und Internet-Kommunikationsmaschine. Eigentlich alles Funktionen, die auch ein Blackberry oder ein Windows Mobile Phone - die Fachwelt wartete Anfang 2007 gerade auf das für Februar angekündigte Windows Mobile 6- boten. Aber mit einer Einschränkung: Bis dahin hatte niemand ein so stimmiges Gesamtkonzept vorgelegt, das sowohl Consumer als auch professionelle Anwender begeisterte. So hieß es denn auch im Dezember 2007 bei der damaligen COMPUTERWOCHE-Kollegin Karin Quack: "Das iPhone ist auch für CIOs der Hit".
Langweilige Hardware im ersten iPhone
Und das, obwohl das iPhone in Sachen Hardware alles andere als spektakulär war. Dennoch schwärmte die Presse über Features, die uns heute nur noch ein müdes Lächeln abringen. So war 2007 etwa zu lesen, "ein gigantisches berührungsempfindliches Farbdisplay mit 3,5 Zoll Diagonale und über 320x480 Pixeln Auflösung ist das zentrale Steuerungselement des iPhones" (Apple revolutioniert das Handy: Herzlich Willkommen, iPhone!). Und flott kann man den verbauten ARM1176-Prozessor mit 412 MHz aus heutiger Sicht auch nicht unbedingt nennen. Ebenso war die Speicherausstattung des ersten iPhone mit 128 MB RAM und 4 beziehungsweise 8 GB Speicher eher bescheiden. Auch eine 2 Megapixel-Kamera, wie sie im ersten iPhone verbaut wurde, wird heute maximal noch als Frontkamera akzeptiert. Und online ging es unterwegs maximal mit Edge - von UMTS, HSPA oder gar LTE konnten die iPhone-Jünger der ersten Stunde nur träumen.
Campen auf der Straße für ein Telefon
Angesichts dieser eher bescheidenen Hardware, wähnten sich Blackberry und Microsoft in einer trügerischen Sicherheit und schliefen ihren Dornröschenschlaf weiter - mit Folgen. Laut einer Canalys-Studie konnte sich das iPhone bereits im dritten Quartal 2007 27 Prozent Marktanteil bei den in Nordamerika verkauften Smartphones sichern. Damit zog das Gerät in seinem ersten vollständigen Verkaufsquartal (Ende: 30. September) bereits an Smartphones mit Windows-Mobile-, Palm- oder Linux-OS vorbei. Lediglich Blackberry-Hersteller Research in Motion (RIM) konnte sich mit einigem Abstand und rund 35 Prozent Marktanteil auf Platz eins behaupten. Wie gut sich das iPhone verkaufte, zeigten nicht nur die Zahlen der Marktforscher, sondern auch die Bilder aus Metropolen wie New York am 29.Juni: Tausende standen in langen Schlangen vor den Läden, um eines der begehrten Handys zu kaufen. Angesichts des Hypes, des Kults und der Verblendung rund um das iPhone, lästerten erste Zungen bereits über das iPhone als Jesus-Phone beziehungsweise God-Phone. Wie groß der Hype war, zeigten in den kommenden Jahren Live-Blogs und -Tweets, wenn der Konzern mal wieder ein neues Modell vorstellte.
Neue Business-Modelle
Apropos Verkauf - hier zeigte Apple ein sehr glückliches Händchen. So gelang es dem Handybauer exklusive Launch-Partner für den Marktstart des ersten iPhone zu gewinnen. In Deutschland durfte T-Mobil, respektive die Telekom, das erste iPhone exklusiv ab November 2007 vermarkten. Dafür mussten aber die Carrier eine andere bittere Pille von Apple schlucken: Der Computerbauer verlangte eine Umsatzbeteiligung an den Dateneinnahmen der Mobilfunker. Es wird davon ausgegangen, dass die Telekom ein Drittel ihrer Datenumsätze mit iPhone-Usern an Apple abführen musste. Angesichts dieses Business-Modell sahen viele Analysten gar eine Neuordnung des Mobilfunkmarktes kommen. So strebte Nokia, damals noch der weltgrößte Handyhersteller, etwa eine Umsatzbeteiligung bei mobilen Diensten an.
Jobs und der Hass auf Android
Eigentlich lief für Apple alles Bestens, hätte nicht ein Jahr später am 21.Oktober 2008 ein Suchmaschinenkonzern namens Google mit Android ein eigenes Smartphone-Betriebssystem vorgestellt. Steve Jobs tobte, denn er empfand Googles Android als Plagiat - obwohl sich gerade Apple immer wieder von den Ideen anderer Firmen inspirieren ließ. Eine Feindschaft, die Bestand hatte. So gab Cnet im August 2012 eine Konversation Jobs mit seinem Autobiographen wieder: "I will spend my last dying breath if I need to, and I will spend every penny of Apple's $40 billion in the bank, to right this wrong. I'm going to destroy Android, because it's a stolen product. I'm willing to go thermonuclear war on this." Grundsätzlich entpuppte sich das iPhone als Jobmotor für die Anwaltskanzleien dieser Welt. In den USA stritten sich etwa Cisco und Apple um die iPhone-Namensrechte und in Deutschland befassten sich Gerichte mit der Frage, ab wann die runde Ecke eines Telefons zum schützenswerten Design-Merkmal mutiert. Des Weiteren verklagte Apple etwa die Android-Hersteller Samsung und HTC. Im Gegenzug verklagten sowohl Nokia als auch Samsung Apple wegen der Verletzung von Mobilfunkpatenten.
iPhone-User als Jünger
Doch weder Klagen noch die Beschwerden der User konnten den Apple Erfolg bremsen. So bemängelten etwa viele User den proprietären Apple-Kosmos und das schwierige Jailbreak oder die rigide Kontrolle in Apples App Store, der auch einmal einfach unerwünschte, weil konkurrierende Apps, zum Opfer fielen. Auch Pannenserien wie ein Hitzeproblem, Anntenagate, Bendgate, Touch Disease, MobilMe, U2-gate, Apple Maps, Crackgate, Slowgate, Yellowgate, Scratchgate, Purple Haze - um nur einige zu nennen - taten der Begeisterung der iPhone-Jünger keinen Abbruch. Bis Juli 2016 konnte der Konzern weltweit über eine Milliarde iPhones verkaufen. Setzte Apple 2007 knapp 3,7 Millionen iPhones ab, war es ein Jahr später schon 13,67 Millionen. Über die Jahre schaffte es Apple, im Schnitt etwas über 200 Millionen Smartphones pro Jahr zu verkaufen.
Abwärts: Talfahrt des iPhone
Ein Erfolg, der für den Konzern gleichzeitig eine Gefahr ist, denn mittlerweile erwirtschaftet das iPhone zwei Drittel des Geschäfts. Gerät das Business dann ins Stocken, kann es schnell bedrohlich werden. Und im iPhone-Geschäft scheint hörbar Sand im Getriebe zu sein, wie etwa die asiatische Nikkei Times am 31. Dezember berichtete. Danach hatte Apple bereits 2016 bei den Zulieferern 20 Prozent weniger geordert. Und nun soll der Konzern für das erste Quartal 2017 nochmals zehn Prozent weniger bestellt haben. Im Vergleich zu 2015 wäre das eine Drosselung der Produktion um 30 Prozent. Erste Marktbeobachter sprechen bereits von einem anhaltenden Abwärtstrend bei Apple und glauben nicht mehr daran, dass 2017 der Turnaround gelingt. So bescheinigt Strategy Analytics im November 2016 Apple nur noch einen weltweiten Marktanteil von 12,1 Prozent, während das von Jobs so gehasste Android mittlerweile mit 87,5 Prozent den Weltmarkt klar dominiert.
Fazit
Egal, wie die weitere Zukunft des Jubilars aussieht, zumindest seine Erfolge kann Apple und dem iPhone niemand mehr nehmen: In einer Zeit, in der die Carrier noch immer über die Bürden der UMTS-Frequenzversteigerungen jammerten - in Deutschland hatten sie im Jahr 2000 50 Milliarden Euro dafür bezahlt - und verzweifelt auf jedem Mobile World Congress nach Business-Modellen für das Geschäft mit dem schnellen Datenfunk suchten, kam Apple und machte es ihnen vor. Das erste iPhone war nämlich mehr als nur ein Handy mit einfacher Touch-Bedienung - es war ein komplettes Ökosystem bestehend aus App Store und Streaming Media und demonstrierte, wie man mit Mobile Data Geld verdienen kann. Mancher IT-Verantwortliche wird das iPhone eventuell auch hassen, denn es brachte ein unerwünschte, neue Diskussion in die Unternehmen: Bring your own Device (ByoD). Mit dem iPhone wurde es chic, auf dem eigenen Handy mal kurz die Mails zu checken, Firmeninfos abzurufen etc. Gleichzeitig machte das iPhone den Gedanken des Mobile Workplace salonfähig. Und dank der proprietären, abgeschotteten Plattformen waren die Leute auch bereit auf ihr Geld auszugeben - egal, ob für Apps oder Content. Auf dem iPhone schien das mobile Business zu funktionieren, während Ansätze wie beispielweise M-Commerce erst wenige Jahre zuvor gefloppt waren. Egal, ob man das iPhone mag oder nicht - zumindest die Verdienste um eine Mobile World muss man ihm anerkennen.
In diesem Sinne: Happy Birthday iPhone!